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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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rausgekommen und weggefahren. Einige Zeit später fährt ein Taxi vor und wieder steigt so ein, sorry, geiler Hase aus. Dunkler Typ mit hohen Wangenknochen, glatte schwarze Haare fast bis zum Po runter, und ganz in Schwarz gekleidet. Das Röckchen reichte ihr gerade so über den Slip.« Der Vorarbeiter rollte mit den Augen, als sähe er sie vor sich. »Sie steigt also aus dem Taxi aus, stolziert an uns vorbei und marschiert prompt auch in diesen Wohnklotz hinein. Meine Leute sind natürlich voll aus dem Häuschen, kannst du dir ja vorstellen, zerreißen sich nur noch das Maul über die zwei Schwarzhaarigen, und an vernünftiges Arbeiten ist überhaupt nicht mehr zu denken. Ich stauche sie logischerweise zusammen, schließlich sind wir ja nicht zum Spaß hier, und dann höre ich es plötzlich: tuk-tuk-tuk! Kurze Pause. Und wieder: tuk-tuk-tuk. Es kam von der Rückseite des Gebäudes. Mir war sofort klar, dass dort geschossen wurde. Eine Minute später knallt die Eingangstür auf, gerade dass sie nicht aus den Angeln fliegt, und drei Leute rennen auf die Straße raus: zwei Frauen, darunter die in den schwarzen Klamotten, die kurz zuvor reingegangen war, und ein junger Mann. Die drei springen in den Land Cruiser, der Typ steuert haarscharf an unseren Leuten vorbei, wendet ohne Rücksicht auf Verluste und tschüss. Wenig später ist dann die Polizei eingetroffen.«
    »Den jungen Mann, der den Jeep fuhr, und die zweite Frau, würden Sie die wiedererkennen?«
    »Die Frau war blond und nicht besonders groß und der Typ …« Der Vorarbeiter atmete tief durch und schüttelte den Kopf. »Sehr kurze Haare, mehr kann ich nicht sagen, das ist einfach alles zu schnell gegangen.«
    »Sie würden die beiden bei einer Gegenüberstellung also nicht erkennen?«
    »Kaum.«
    »Nun gut.« Andrej überlegte. »Sind Sie noch bis zum Abend da?«
    »Ja.«
    »Dann schicke ich jemanden vorbei, der Ihre Aussage zu Protokoll nimmt.«
    »Kein Problem.«
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    Im dritten Stockwerk herrschte ein ähnliches Getümmel wie vor dem Hauseingang. Etliche Polizisten hielten den Treppenabsatz besetzt, damit die besorgten Hausbewohner die Arbeit der Spurensicherung nicht störten.
    Der Erste, den Kornilow traf, als er aus dem Aufzug kam, war Kapitän Uglow, der Chef der Mordkommission der örtlichen Polizeiinspektion. Der rotgesichtige, stämmige Mann wollte den Tatort offenbar gerade verlassen, doch als er Andrej sah, blieb er stehen.
    »Welche Ehre!«, raunte er nicht ohne Ironie.
    »Ganz meinerseits«, gab Andrej ebenso freundlich zurück.
    Kornilow erlebte es nur selten, aber immer wieder einmal, dass man ihm in Polizeikreisen mit unverhohlener Abneigung begegnete. Manche ehrgeizigen Ermittler mochten ihn persönlich nicht, weil sie ihm seinen großen Erfolg neideten, andere Kollegen aus unteren Polizeibehörden hegten Vorurteile gegen das gesamte Polizeipräsidium: Sie waren der Meinung, dass dort nur unfähige Sesselfurzer säßen, für die sie die Drecksarbeit erledigen mussten. Andrej fand solche Animositäten kindisch, doch er regte sich nicht weiter darüber auf. Solange man ihn in Ruhe arbeiten ließ, war es ihm gleichgültig, wenn ein Kollege ihn nicht leiden konnte.
    »Was ist hier passiert? Ein Mord?« Andrej griff nach seinen Zigaretten.
    »Keine Ahnung«, blaffte Uglow. »Leichen gibt’s jedenfalls keine. Ich wollte gerade gehen.«
    »Und wieso wurde ich verständigt?«
    »Aufgrund einer Dienstanweisung, die wir heute Morgen bekommen haben«, erläuterte der Kapitän. »Bei Feststellung unerklärlicher Gegebenheiten ist unverzüglich die Sonderermittlungsgruppe zu verständigen, hieß es da.«
    In Uglows Augen war unschwer abzulesen, was er von solcherlei Dienstanweisungen hielt.
    »Und welche Gegebenheiten haben Sie so stutzig gemacht? «
    »Sie brauchen nur in die Wohnung zu gehen, dann sehen Sie es selbst.« Der Kapitän wandte sich an seinen Mitarbeiter. »Geh schon mal runter und warte auf mich, ich bringe noch den hohen Besuch auf den neuesten Stand.«
    Es handelte sich um eine völlig normale Zweizimmerwohnung: ein winziger Vorraum mit Garderobenhaken aus Metall und einem ovalen Spiegel, ein kleines Schlafzimmer mit einem zerwühlten Doppelbett und ein Wohnzimmer, das als einziger Raum über fünfzehn Quadratmeter maß und mit schweren Möbeln bestückt war, die rumänische Schreiner extra für ihre sowjetischen Brüder angefertigt hatten. Kornilow konnte sich noch an jene Zeiten erinnern, als solche

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