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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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Baumwolltuch. Er hatte es niemals eilig.
    »Denis Romanowitsch? …«
    »Bitten Sie ihn herein.«
    Die Brille landete just in dem Moment wieder auf der Nase, als die schallisolierte Tür aufging und ein stiernackiger Koloss ins Büro stampfte. Der Gast trug einen zerknitterten schwarzen Anzug, ein schwarzes, weit geöffnetes Hemd und anstelle einer Krawatte eine fette Goldkette.
    »Schon gehört, Edik? Wachtang wurde kaltgemacht«, verkündete Nefedow anstelle einer Begrüßung.
    »Was du nicht sagst!« Denis Romanowitsch faltete bedächtig sein Brillenputztuch zusammen.
    »Echt, Mann, ohne Scheiß, heute Nacht oder am Morgen. Als seine Schlampe die Augen aufmachte, war er schon hinüber. Voll krass.« Nefedow ließ sich in den Stuhl plumpsen. »Hast du was zu saufen da?«
    »In der Minibar, bedien dich.«
    Der Koloss, der es vorzog, bedient zu werden, warf Edik einen genervten Blick zu, wuchtete sich aus dem Stuhl, schlenderte zur Bar und schenkte sich zwei Fingerbreit Wodka ein.
    Der kultivierte Edik wartete geduldig, bis Nefedow sein Glas ausgetrunken hatte, und stellte erst dann seine Frage: »Wer hat denn Wachtang um die Ecke gebracht, Spike? Nicht du zufällig?«
    »Spinnst du?«, kläffte Nefedow und zog sich mit dem Zeigefinger entrüstet das Unterlid herab. »Ohne ein Wort von Chamberlain? Sonst noch Wünsche?!«
    Spike mochte Edik nicht. Im Unterschied zu dem schmächtigen Brillenträger mit Universitätsabschluss kam der Kraftprotz von ganz unten und hatte sich den Weg nach oben mit viel Blut erkauft – wenn auch hauptsächlich mit fremdem Blut.
    »Und was denken Wachtangs Leute? Verdächtigen sie uns?«
    »Bei denen brennt natürlich die Hütte. Fast die ganze Bande hat sich zusammengerottet und zermartert sich das Hirn, wer das gewesen sein könnte. Aber bis jetzt haben sie keinen Peil. Ist aber auch kein Wunder. «
    »Wieso?«
    »Sie raffen’s nicht, wie das überhaupt passieren konnte«, erläuterte Nefedow. »Wachtang hat sich schließlich nicht mit Waschlappen umgeben, der Boss seiner Wache ist dieser Typ namens Sprinter, ein abgekochter Kämpfer, der immerhin zehn Jahre Geheimdienst auf dem Buckel hat. Außerdem steht Rionis Hütte im Zarenwinkel …« Edik hatte von Wachtangs Residenz gehört: ein doppelter Sicherheitsgürtel, einer für die ganze Siedlung, einer für ihn persönlich, im Haus Panzerscheiben, elektronische Alarmanlage, Videoüberwachung. »Dort sind insgesamt zwanzig Mann stationiert, und zwei Gorillas saßen die ganze Nacht vor seiner Schlafzimmertür. «
    »Und keiner von denen hat etwas bemerkt?«
    »Nö.«
    »Dann wurden sie bestochen«, mutmaßte Edik. »Aber wer steckt dahinter?«
    »Wer wurde bestochen?«, fragte Spike.
    »Na, die Gorillas vor der Tür.«
    »Ach die. Möglich. Aber wie ist der Killer überhaupt ins Haus gekommen?«
    »Vielleicht waren es die Gorillas selbst und stellen sich jetzt dumm?!«
    »Und wieso hat seine Schlampe nichts gehört?«
    »Die könnte ja mit ihnen unter einer Decke stecken.«
    »Und wo ist die Hand hingekommen?«
    »Welche Hand?«
    »Richtig, das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt.« Spike bemühte sich abermals zur Bar und mischte seinen Wodka diesmal mit Orangensaft. »Wachtang wurde erstochen. Auf der Stirn hatte er ein Brandmal, und seine linke Hand war abgehackt. Voll abartig!«
    Edik lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Im Gegensatz zu Nefedow, der sich nicht gerade durch sprühende Intelligenz auszeichnete, zog Edik sofort die Parallele zu dem mysteriösen Mord an Maria Tatarkina, von dem er in der Zeitung gelesen hatte: Die populäre Unternehmerin war unter genau denselben Umständen zu Tode gekommen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass man sie in einem Restaurant ermordet hatte, Wachtang dagegen in seinem eigenen Haus. Doch Edik wusste aus leidvoller Erfahrung, dass man sich nicht einmal im eigenen Schlafzimmer sicher fühlen konnte, egal, wie gut es bewacht wurde.
     
    Damals war er mitten in der Nacht aufgewacht.
    Wegen der Stille.
    Edik schlief jede Nacht genau sieben Stunden. Sieben kostbare Stunden, in denen niemand ihn zu stören wagte: Im Schlafzimmer gab es kein Telefon, die schalldichten Fenster waren sorgfältig verschlossen und die Rollos herabgelassen. Sieben Stunden Stille, Ruhe und Erholung. Um nichts sorgte sich Edik mehr als um sich selbst.
    Er wachte mitten in der Nacht auf.
    Wegen der Stille.
    Sie war anders als sonst. Nicht beruhigend und entspannend, sondern irgendwie

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