Das Orakel von Port-nicolas
aufzuheben, und erhob sich erneut.
»Können Sie sich nicht bücken?« fragte Darnas. »Ihr Bein? Ich habe gesehen, daß Sie hinken, als Sie hereinkamen.«
»Ja, richtig. Ich habe mir das Knie bei ziemlich häßlichen Ermittlungen verbrannt. Danach ist Pauline gegangen.«
»Und Ihrer Meinung nach ist sie deswegen gegangen?«
»Ich glaube. Aber jetzt weiß ich’s nicht mehr.«
»Weil Sie mich gesehen haben und sich sagen, daß Pauline sich nichts macht aus körperlichen Nachteilen? Nun schön, ich glaube, da liegen Sie richtig. Aber trennen wir das, wir haben gesagt, wir würden das trennen.«
Louis befeuchtete seine Hand, hob Bufo auf, und die beiden Männer gingen in den Park hinaus.
»Sie sind wirklich reich«, sagte Louis, während er den Blick über den weiten Kiefernwald schweifen ließ.
»Wirklich. Also. Vor etwas mehr als fünf Jahren hat sich ein Typ in der Gemeinde niedergelassen. Er hat eine große Villa gekauft, eine weiße, häßliche Villa, genauso häßlich wie dieses Thalassozentrum, das will was heißen. Niemand weiß, wovon er lebt, er arbeitet zu Hause. Bei erster Prüfung gibt es nichts Besonderes über ihn zu sagen, eher gesellig, Kartenspieler, ein Schreihals, Sie können ihn im Café de la Halle kaum verpassen, er kommt jeden Tag für ein paar Partien, ein dicker, stabiler und einförmiger Kopf. Er heißt Blanchet, René Blanchet. Meiner Ansicht nach geht er auf die Siebzig zu. Also von keinerlei besonderem Interesse, ich komme kaum mit ihm in Berührung, abgesehen von der Tatsache, daß er sich in den Kopf gesetzt hat, der nächste Bürgermeister zu werden.«
»Aha.«
»Er hat Zeit vor sich, fünf Jahre, alles ist möglich. Er gefällt den Leuten. Er ist eine Art lokaler Fundamentalist. Port-Nicolas den Einwohnern von Port-Nicolas und sonst niemandem, eine ziemlich eigenartige Haltung, da er selbst erst spät hergekommen ist. Aber das gefällt, das können Sie sich vorstellen.«
»Sie mögen ihn nicht?«
»Er fügt mir leichten Schaden zu. Während seiner Kartenpartien flüstert René Blanchet herum, das Zentrum für Thalassotherapie ziehe Ausländer nach Port-Nicolas, Niederländer, Deutsche und, schlimmer, Spanier, Südländer, und, noch schlimmer, wohlhabende Araber. Können Sie sich den Mann jetzt vorstellen?«
»Sehr gut.«
»Sie selbst sind Deutscher?«
»Ja, zum Teil.«
»Nun, Blanchet wird das bald heraushaben, es wird nicht lange dauern. Niemand ist wie er, wenn es darum geht, Ausländer aufzuspüren.«
»Ich bin kein Ausländer, ich bin der Sohn eines Deutschen«, präzisierte Louis lächelnd.
»Für René Blanchet werden Sie einer sein, Sie werden sehen. Ich könnte ihn von hier wegjagen, ich hätte die Mittel dazu. Aber das sind nicht meine Methoden, Kehlweiler, glauben Sie es mir oder nicht. Ich warte ab, bis ich sehe, was er treibt, ich liege auf der Lauer, denn mit ihm als Bürgermeister wäre die Gemeinde nicht sehr lustig. Da ist der glatte Meeraal hundertmal besser. Und auf diese Weise – indem ich ihn aus den Augenwinkeln beobachtet habe – habe ich bemerkt, daß die alte Marie ihn ebenfalls überwachte.
Das heißt, sie überwachte seine Mülltonnen, sobald es Nacht wurde.«
»Vom Bürgermeister geschickt?«
»Nun schön. Hier wird der Müll einmal wöchentlich rausgestellt, Dienstagabend. Seit sieben, acht Monaten schaffte Marie die Säcke von René Blanchet beiseite, untersuchte sie bei sich zu Hause – sie wohnen ziemlich nahe beieinander – und stellte alles wieder wohlverschlossen zurück, da merkt niemand was. Und am nächsten Tag begab sie sich ins Rathaus.«
Louis blieb stehen und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm einer Kiefer. Mechanisch streichelte er Bufo mit einem Finger.
»Fürchtet der Bürgermeister, daß René Blanchet versucht, ihn früher als vorgesehen von seinem Sitz zu sprengen? Sollte Blanchet etwas gegen ihn in der Hand haben?«
»Durchaus möglich, aber man kann sich auch das Gegenteil vorstellen. Der Bürgermeister versucht herauszufinden, wer dieser Blanchet ist, was er tut, woher er kommt, und erhofft sich vielleicht, in seinen Mülltonnen genug zu finden, um seine Kandidatur zum gegebenen Zeitpunkt zu torpedieren.«
»Ja … Und wenn Marie beim Herumschnüffeln von René Blanchet überrascht worden wäre? Hätte er sie umgebracht?«
»Und wenn Marie in Blanchets Mülltonnen zu viel über den Bürgermeister erfahren hätte, hätte er sie umgebracht?«
Die beiden Männer schwiegen.
»Häßlich«, sagte Louis
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