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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hünniger
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ich steige ins Auto, lasse aber die Tür auf. Sie haben dunkle Stimmen, viel rauher als die Stimme meines Vaters, einer hat einen dicken Vollbart, der andere ist kleiner und hat die dünnen Haare streng zur Seite gekämmt, so dass sie sich wie ein Schleier über den Schädel legen. Als sie vor meinem Vater stehen, werfen sie ihren Schatten über ihn und erscheinen mir wie Riesen. Handschlag. Der Typ |45| mit Seitenscheitel sagt zu meinem Vater: »Bist du bescheuert? Nimm das Parteiabzeichen endlich ab, sonst nehm ich es dir ab.« Mein Vater stottert, also, wie jetzt, was. Ob er wirklich noch nicht mitbekommen habe, dass alles vorbei sei, sagt der andere und wischt sich Spuke aus dem Bart. Mein Vater schaut sich um. Der Platz liegt still im Abendlicht. Ein Trabi fährt vorbei. Die Räder quietschen. Vom Bäcker her duftet es nach Brot. Vorbei?
    Er dreht sich um und setzt sich auf die Fahrerseite des Trabis. Ist Demokratie jetzt gut oder schlecht?, will ich fragen. Es scheint mir ein sehr dehnbarer Begriff zu sein. Demokratie. Wenn alles Demokratie schon im Titel hat, aber jetzt erst die richtige Demokratie kommt, warum nannte man sich vorher schon Demokratische Republik und Demokratischer Frauenbund? Das ist doch albern, denke ich, das ist doch Gehirnwäsche zu behaupten, man sei in einer Demokratie, wenn die Demokratie erst jetzt kommt. Das ist, als wolle man sagen, 3 + 3 ist 7. Das ist die Logik meines Bruders und der ist drei und kann nicht rechnen. Oder war es nur ein bisschen weniger Demokratie als jetzt die neue? Aber es gibt auch kein bisschen weniger Telefonnummer, die ist dann nämlich eine falsche.
    Mit dem Wort, denke ich, muss man aufpassen, es könnte eine Falle sein, das ist wie mit der Behauptung, Persil werde alle Flecken aus dem weißen Hemd waschen. Eine Behauptung, damit man dieses Waschpulver kauft und kein anderes. Das Wort ist überall.
    Mein Vater nimmt den kleinen Anstecker von seinem Jackett ab, ich habe beide, also Anstecker und Jackett, vorher nie an ihm gesehen.
    Ich frage: »Was ist das?«
    |46| Er: »An und für sich geht es hier konkret um Dinge, die du nicht verstehst.« Im Grunde habe er den Quatsch mit Abzeichen und Parteisekretär ja auch nicht mitmachen wollen, aber dann habe es geheißen, mach das Abzeichen dran, sonst bist du kein ordentlicher Genosse, und mach du jetzt den Parteisekretär. Und er sei halt immer der Kleinste in der Runde, und in der Kampfgruppe musste er auch noch das schwere Gewehr tragen, und alle anderen durften die Kalaschnikow haben. Und jetzt kommen so Deppen, die auf jeden Befehl gehört haben. Und solche Leute sind die Ersten, die einem das Abzeichen wieder abmachen wollen, sonst knallt’s, einfach so, das müsse man ja nicht gleich mitmachen. Das gehöre sich nicht. Haben die keine Ehre?
    Nie solle ich vergessen, woher ich komme.
    Er tippt entschlossen auf das Kunstlederarmaturenbrett.
    Das ist, denke ich, schwer zu sagen, woher man kommt.
    Version I: Eltern Akademiker (haben vor allem Mähdrescher gefahren und Erde umgewälzt), im Bücherregal: Karl May, Karl Marx, Karl Valentin.
    Version II: Alle scheinbar unzufrieden (Grund unbekannt). Schwierig. Platte. Rundherum viele kaputte Autos. Früh mit Alkohol konfrontiert.
     
    In dieser Nacht träume ich, dass ein Tyrannosaurus Rex vor dem Balkon unserer Wohnung steht und zu uns hineinschaut. Sein Maul ist halb geöffnet, und man kann spitze Zähne sehen, von denen Spucke heruntertröpfelt. Unmöglich, denke ich, Dinosaurier sind ausgestorben, das weiß jedes Kind, aber hier ist einer, unmöglich, unmöglich! Ein gelbes Auge taucht genau vor dem Fenster auf. Wir springen vom Sofa weg und verstecken uns dahinter, unter dem |47| Tisch, neben der Schrankwand, hinter dem Ofen. Und dann sagt der Dinosaurier: »Ihr müsst fair zueinander sein!«, und reißt bei den Nachbarn den Balkon ab, auf dem ein kleines aufblasbares Planschbecken liegt. Und auf beidem, auf dem Planschbecken und dem Beton, kaut der Tyrannosaurus herum und geht dann weiter.
     
    Während mein Vater eine Technik entwickelt, mit seinen neuen Filzpantoffeln Fliegen zu jagen, werde ich in die zweite Klasse versetzt. Mit den Zeugnissen ist man nicht immer zufrieden. Pulverschnee fällt auf Pappschnee. Ich bin damit vertraut und kenne den Unterschied. Pulverschnee rieselt unangenehm in den Pullover. Wenn man auf die aus Pappschnee geformten Schneebälle etwas Wasser träufelt, hat man ein paar Minuten später ein Wurfgeschoss, das dem Gegner sehr

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