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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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Schläge wieder langsamer wurden, etwas friedlicher, eine Übereinstimmung, nur kurz, dann überwog wieder die Wut, ein Wirbel, der allerdings bald in sich zusammenfiel. Eine Ahnung von Harmonie breitete sich aus, trotz des letzten Aufflackerns des Zorns, bis schließlich alle Töne gleichzeitig ertönten, alle paar Sekunden ein Schlag, die ferne Trommel, die klare und helle seiner Insel und die tiefe und gewalttätige von einer der Nachbarinseln, ein gemeinsamer Herzschlag, tief und beruhigend, und er schlief wieder ein.
    Am nächsten Morgen hüpfte er über den Strand. Es war das erste Mal, dass er nackt hüpfte, selbst im Jungborn waren sie nicht gehüpft, sondern geschritten, aber die Freude suchte sich eine Bewegung, die Freude über die Sonne, die sich aus dem Wasser erhob und den leichten Dunst vertrieb, der darüberlag, den Himmel rosa färbte und ihre sanfte Wärme über ihn ergoss, und so hüpfte er, vorwärts, rückwärts und in seitlichen Grätschschritten, sprang über die Bücher, hopste um seine Palmen, platschte durch Wasser, lachte dabei, sang Liedfetzen, jauchzte vor Vergnügen. Alles war ganz und alles war einfach, er war sein eigener Bauer und Lieferant, Schneider und Architekt, Seelsorger und Anwalt, Soldat und Polizist, Grund genug, um zu hüpfen. Vernünftig wie ein Zugvogel war er und hatte der Kälte den Rücken gekehrt. Licht ist Geist, und Wärme ist Liebe. Er lebte in Gott, dem Gott des Lichts, Vater Helios, und betete ihn an, hüpfend, statt vor ihm auf den Knien herumzurutschen, wie es die Christen in den Ländern des Winters taten. Er hüpfte und dichtete dem Lichtgott ein Lied, jede Silbe ein Sprung, Nicht die Weisheit bringt uns Segen / Weise Tat nur bringt uns Glück / Darum wollen wir uns regen / Und zum Sonnengott zurück. Er rief das Lied in den Morgenhimmel, dem Sonnenball zu, stampfte die Wörter in den Sand, immer wieder, bekam einen Lachanfall, dichtete weiter, mit viel Freude, obwohl er kein Dichter war, das wusste er selber, er war ein nackter Sonnenhüpfer, mehr nicht, aber mehr wollte er nicht sein, Ihm, dem Spender allen Lebens / Aller Wärme, allen Lichts / Er nur sei das Ziel des Strebens / Er nur macht das Leid zu nichts. Ein paar Möwen ließen sich auf dem Strand nieder und sahen ihm zu, mit geneigten Köpfen, interessiert und gleichzeitig verwundert, wie er über den Strand galoppierte. In dem Tode der Kulturen / In dem Anschluss an die Sonne / Wurzeln unsre Götterspuren / Ruht des Lebens Glück und Wonne, das gefiel ihm besonders gut, das sagte er immer wieder, rief es, sang es, tanzte es, seinen ganzen Körper riss es mit, Tode der Kulturen / Anschluss an die Sonne / Unsre Götterspuren / Lebens Glück und Wonne. Eine Schildkröte kroch aus dem Meer an Land, schob sich mit ihren Flossen mühsam voran und zog ihren schuppigen Kopf zurück in ihren Panzer, als er seinen Zauberspruch um sie tanzte. Auferstanden ist die Menschheit / Sonnenkinder sind sie alle / Gott, der Herr, hat sie erlöset / Von dem tiefen, tiefen Falle , denn genau darm ging es, nicht nur um ihn, sondern um die Erlösung aller Menschen. Alle mussten herkommen, um wahres Glück zu empfinden, erst wenn die Nachtwesen unter Palmen wandeln, wäre das Himmelreich da, erst wenn sie das schmutzige Gold der Städte verlassen, um von Sonnengold zu leben, erst wenn der Norden verödet liegt. Er ließ sich ermattet fallen, panierte den verschwitzten Körper in dem feinen Korallensand, streckte die Zunge heraus, probierte ein paar Sandkörner. Sie schmeckten nach Eisen und Dinkelmehl.
    Ein Morgenbad und eine Kokosnuss später machte er sich nochmals auf den Weg zu seinen Wilden. Noch bevor er die ersten Hütten erreicht hatte, sah er einen Jungen, der sich über einen Palmenstamm beugte, mit einem Holzhaken drin hemmbohrte, eine fingergroße Made angelte und sie in den Mund schob. Er hätte ihm gerne gesagt, dass in dem Paradies, in dem er lebe, ausreichend Früchte wuchsen und er kein Tier essen müsse. Als der Junge ihn sah, bückte er sich, hob einen Stein auf, warf ihn in seine Richtung, mehr achtlos als gezielt, und verzog sich kauend in Richtung einer Hütte, vor der eine stillende Frau saß. Engelhardt näherte sich vorsichtig, denn er wollte sie nicht erschrecken, weder sie noch das Kind, aber sie stillte kein Kind. An die Brust hielt sie ein kleines Ferkel, gerade frisch geworfen, das gierig an der Warze lutschte, sie verlor, laut quiekte, bis die Frau wie eine liebende Mutter den Kopf des Tieres

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