Das Paradies des August Engelhardt
Er war keiner, dem man sich widersetzte, und er hatte ihm das Buch gegeben, so wie Walter seines, das fast leer war, ein paar hingekritzelte Bemerkungen über das fehlende Bier und die Kopfschmerzen, weil er hier keinen Kaffee bekam, mehr nicht. Der Maler hatte sie beide zu sich gerufen. Enttäuscht war er von ihnen, er habe an eine innere Wandlung geglaubt. Beide hätten nicht verstanden, welche Gelegenheit sich ihnen hier biete. Eine letzte Chance gebe er ihnen, aber wenn sie weiterhin scheiterten, dann wäre es besser, sie würden gehen, er wisse wohl, dass er sie einschüchtere und erschrecke, aber er sei einer der Menschen, die selbst bei den nahestehenden und wohlwollenden Mitmenschen Schauder und Entsetzen hervorrufen, doch sein Genius habe seinen Weg klar und bestimmt vorgezeichnet, und den müsse er gehen, auch wenn dieser Pfad von aller Welt als Irrweg erklärt und mit Steinen und Dornen belegt werde. Man könne ihn verlassen, man könne ihn verurteilen, man könne ihn selbst zu Tode martern, aber keine Macht der Welt könne ihn abbringen von seinem Weg. Engelhardt wäre am liebsten sofort gegangen, aber Walter hielt ihn zurück. Wilhelm Pastor will in den nächsten Tagen kommen, man kann ihn jetzt nicht sitzen lassen, es ist ausgemacht, dass sie auf ihn warten, er soll halt aufhören, über Anna zu fantasieren, und stattdessen lieber mit ihr reden, mehr ist nicht drin, sie ist die Geliebte des Meisters und er bestenfalls ein dahergelaufener Jünger.
Sie sitzen auf dem Dorfplatz, als der Geist kommt. Alle sind da. Die Frau liegt in der Mitte, als der Geist in sie geht. Ihre Augen sind geschlossen, ihre Arme bewegen sich und die Beine bewegen sich gleichzeitig und es redet aus ihrem Mund. »Tötet nicht den Weißen, sonst gehen die Betelpalmen ein und die Tarowurzeln verkümmern, denn er ist stark und mächtig und schon vor Jahren gestorben und hat bei seinem Tod seine schwarze Haut verloren. Wenn ihr sterbt, werdet ihr auch weiß sein und euer Glied nicht unter die umgebundene Schnur stecken wie der Weiße und vergessen, wo euer Land ist, aber der Weiße hat sein Land nicht wirklich vergessen, deswegen kommt er auf unsere Insel und zieht nichts über seine Haut und setzt sich nichts auf den Kopf und läuft nicht herum mit etwas an seinen Füßen. Er erinnert sich, und sein Haus ist gedeckt mit Palmen und nicht mit dem Gewellten, das glänzt, und sein Essen wächst auf Bäumen und nicht in Kisten. Er ist erst vor Kurzem gestorben, und seine Haut wird immer dunkler, und er ist der Vater von Munun, den der Hai gefressen hat.« Es ist zu Ende. Das ist ihre Geschichte. Einer holt Wasser.
Sie trinkt und öffnet die Augen und erhebt sich und weiß nicht, was sie gesagt hat oder wer aus ihr spricht, und geht auf die Felder und erntet Bananen. Der Weiße ist keiner, den man töten wird. Der Chinese kommt und holt das Kopra. Sie haben die Nüsse gespalten, getrocknet und das Fleisch aus den Schalen gelöst. Der Chinese bringt es den Weißen, und die machen daraus Licht oder Öl. Nie hat Kabua einen Weißen eine Nuss essen sehen. Er wird seinem Weißen das Kokosfleisch zeigen und die Säcke und was der Chinese ihnen dafür gibt. Sie selber haben keine Stärke mit ihren Geschäften. Die anderen wollen, dass sie nichts wissen. Sie wollen nicht, dass sie einen guten Weg finden und sie einholen oder ihnen gleich werden. So bleiben sie sitzen und kommen nicht voran. Sie bleiben. Und manchmal kommen die großen Männer der Weißen und klagen sie an und machen Verbote und verstellen den Weg, und der Chinese kommt und lässt ihnen ein paar Äxte und Flaschen und Spiegel. Er wird mit dem Weißen sprechen und ihn fragen, wie viel Äxte es gibt für einen Sack Kopra.
Die Stunden verschwammen, die Tage, die Wochen. Die Zeit hatte ihr Ziel verloren. Sie zerfloss in alle Richtungen, kehrte immer wieder zurück, bildete kleine Wirbel, alles geschah gleichzeitig und immer wieder, alles war und blieb und würde sein, ganz egal wie lange er hier war, unerheblich ob es Mittag war oder Abend, Freitag oder Dienstag oder Oktober oder schon das Jahr 1903. Aus dem blauen Himmel fiel Ewigkeit.
Die brutale Zerstückelung der Zeit hörte ganz auf, die Knechtschaft der Menschen unter der Knute der Kalender und Uhren, was für eine perverse Erfindung war die Sekunde, wie unnötig und dumm. Gleich lang war jeder Tag, genauso warm wie der vorhergehende und wie der folgende sein würde, genauso beglückend. Immer leuchtete das Meer, schien die
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