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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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Anschlussstellen und Datenleitungen befestigt. Auf dem Schoß des Mannes ruhte eine Tastatur. Vor ihm, auf dem Boden, standen zwei kleine Flachbildschirme. Während der Mann seine Eingaben machte, huschte sein Blick von einem Schirm zum anderen. Unter dem Klappstuhl lag ein Haufen Abfall: zerknüllte Servietten mit Erdnussbutterund Geleeflecken, leere Slim-Jim-Packungen, eine leere, zerbeulte Cherry-Cola-Dose.
    Hinter dem Mann fing die Innenwand des Kanals leicht an zu vibrieren. Eine Sekunde später, als der »Kreischer« nach unten sauste, die tiefste Stelle erreichte und dann wieder ins Licht und an die Luft von Boardwalk hinaufraste, ertönte ein schreckliches Dröhnen. Der Mann beachtete es nicht.
    Er tippte weiter, und das Getöse ebbte ab und verstummte. Der mit einer Lärmschutzvorrichtung versehene Militärkopfhörer des Mannes verschluckte alle Töne über fünfzig Dezibel.
    Seine Finger wurden langsamer. Dann stellte er seine Arbeit ein. Er rutschte nach vorn und massierte seinen Nacken. Anschließend streckte er die Beine aus. Er rieb zuerst das linke, dann das rechte, damit das Blut wieder zirkulierte. Er saß seit den frühen Morgenstunden hier, überwachte die Videoaufzeichnungen Utopias, störte ausgewählte Kameraeinstellungen und zapfte die Bandbreite des Intranets an. Er war mit seiner Arbeit fast fertig.
    Der Mann schaute auf, bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen und löste die Verspannungen in seinem Hals.
    Sein Blick schweifte instinktiv zu den beiden Überwachungskameras hin, die ihm gegenüber in die Wand eingelassen waren. Sogar hier, im leeren Kanal, war die Überwachung allgegenwärtig. Doch der Mann schaute eher uninteressiert als ängstlich drein: Er hatte die beiden Kameras an eine Schleifenroutine angeschlossen, die Wochen alte Aufzeichnungen abspulte. Die Aufsicht im Bienenstock sah nur einen dunklen, völlig leeren Raum.
    Der Mann war jung, nicht älter als fünfundzwanzig. Trotz des matten Lichts waren die dunklen Nikotinflecken an seinen Fingerkuppen deutlich sichtbar. Da Rauchen an diesem Ort zur sofortigen Entdeckung geführt hätte, kaute er nikotinversetzten Kaugummi, und zwar in dem Tempo, in dem ein Kettenraucher sich eine Zigarette nach der anderen ansteckt.
    Seinen Hals noch immer massierend, nahm er den Gummi, den er gerade kaute, aus dem Mund und drückte ihn neben sich in eine Buchse. Gleich daneben klebten schon einige Dutzend andere. In der abgestandenen Luft des Kanals wurden sie allmählich hart.
    Der Mann lehnte sich gegen den Mehrzweckkoffer, hob die Tastatur auf seine Knie und fing wieder an zu tippen. Er überprüfte den Zustand verschiedener versteckter Routinen, die er im Inneren des Utopia-Netzes zum Laufen gebracht hatte. Dann hielt er inne, runzelte die Stirn und musterte einen der Bildschirme.
    Alles war nach Plan verlaufen - ohne Mucken und Zicken.
    Bis jetzt.
    Als Vorsichtsmaßnahme hatte er in einigen kritischen Utopia-Terminals Keylogger installiert. Diese Überwacher verbargen sich im Hintergrund und sammelten insgeheim alles, was auf bestimmten Tastaturen geschrieben wurde. Einmal pro Stunde schickten die Überwacher ihre Ausbeute verschlüsselt und getarnt über das Utopia- Intranet an das Terminal im Kanal.
    Bis jetzt hatte sich das wackere Utopia-Personal so verhalten wie erwartet. Mit einer Ausnahme: der Rechner, der das Metanet steuerte. Man würde ihn im Auge behalten müssen.
    Der Mann blätterte sich durch das letzte Überwachungsprotokoll vom Metanet-Terminal. Jemand setzte dieses Terminal dazu ein, um ältere Protokolldateien zu begutachten und Routinen und Befehlssätze zu untersuchen. Es war eindeutig, dass da jemand zielgerichtet herumsuchte:
    Jemand, der wusste, was er tat, nahm bewusst eine Analyse vor.
    Der Mann schaute kurz nach oben in den Kanal hinauf. Er ragte in die Dunkelheit und war so hoch und eng wie der Schornstein eines Riesen. Die Wände waren mit einem komplizierten Wirrwarr aus Kabeln und Drähten bedeckt. Langsam, nachdenklich hob der Mann eine Hand und zog den Kopfhörer von seinen Ohren. Er hörte das ferne Ticken von Maschinen und das Schwirren der Antriebseinheit des Reinigungsroboters, der hier irgendwo seiner Arbeit nachging.
    Hinter dem Mann fing die schallgedämpfte Innenwand erneut an zu beben.
    Er legte die Tastatur beiseite und wandte sich dem neben den Monitoren stehenden Funkgerät zu. Oben war ein großes bernsteinfarbenes Blinklicht angebracht, das ihn, wenn er den Kopfhörer trug, auf eingehende

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