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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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gefährlich verwittertes Äußeres verliehen hatten. Schon der Anblick der fast senkrechten Gefälle und schaurigen Korkenzieherwindungen des »Kreischers« überzeugte viele Besucher, die mit dem Gedanken liebäugelten, mit diesem Ding zu fahren, dass es vielleicht besser war, sich eine sanftere Zerstreuung zu suchen.
    Wie alle Achterbahnen basierte der »Kreischer« mehr auf Psychologie als auf Ingenieurskunst. Eigentlich war er eine geschickt verkleidete, mit einem Tunnel kombinierte Stahlbahn, die nur wie eine traditionelle Holzachterbahn aussah. Die Metallkonstruktion ließ schärfere Kurven, größere Gefälle und mehr »Luftzeit« zu - Augenblicke negativer Schwerkraft, in denen es die Insassen tatsächlich aus dem Sitz hob. Die komplizierte Einkleidung verstärkte andererseits den Zaunpfahleffekt einer Holzbahn: Sparren und Balken, die nur einige Dutzend Zentimeter vor den Passagieren vorbeirasten, ließen die etwa achtzig Stundenkilometer betragende Geschwindigkeit vielfach höher erscheinen. Außerdem hatten die Erbauer der Bahn das Gefühl der Bedrohung mit Absicht gesteigert: Am Eingang fiel der Besucherblick auf einige für Utopia sehr untypische Warnschilder über die gefährlichen Auswirkungen hoher Schwerkraft. Des Weiteren war am Ausgang ganztägig eine Krankenschwester postiert. So war es auch kein Wunder, dass sich die nur in Boardwalk erhältlichen T-Shirts mit der Aufschrift »Ich habe den >Kreischer< überlebt« wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln verkauften.
    Eric Nightingale hatte verfügt, dass der »Kreischer« das höchste Startgefälle - hundert Meter - aller Achterbahnen westlich des Mississippi haben solle. Es war eine Herausforderung an die Technik gewesen: Bei einer solchen Höhe hätte die gewaltige Auffahrtssteigung so dicht an die Kuppel herangereicht, dass die künstliche Perspektive beeinträchtigt worden wäre. Die Ingenieure hatten das Problem gelöst, indem sie die Bahn so gebaut hatten, dass das erste Gefälle unterhalb der normalen Bodenebene lag: Man hatte einen Teil der unterhalb Boardwalks liegenden A- und B-Ebenen ausgeschachtet und das Doppelgleis bis dort hinunter gezogen. Wenn die »Kreischer«-Insassen die erste Steigung hinter sich gebracht hatten, rasten sie fast senkrecht in die Tiefe, in einen Tunnelabschnitt von absoluter Dunkelheit hinein.
    Dann ging die Fahrt abrupt nach oben und brachte die Leute, die wegen der Aufhebung der Schwerkraft nur noch Grimassen zogen, wieder ans Licht und aufs Niveau von Boardwalk, ohne dass sie merkten, dass sie einige Sekunden lang sozusagen im Keller gewesen waren.
    Diese Lösung hatte jedoch ein neues Problem beschert. Das Dröhnen der in Minutenintervallen vorbeirasenden Wagen war so laut, dass kein in der Unterwelt tätiger Utopia-Mitarbeiter sich darum gerissen hätte, in den Abschnitten der Ebenen A und B zu arbeiten, die in der Nähe der Gleise lagen.
    Auch dafür hatten die Ingenieure eine Lösung gefunden.
    Während des Parkbaus waren die unterirdischen Ebenen in einem Kabelmeer schier ersoffen: Das Handbuch des Touristenführers behauptete, die hinter den Kulissen liegenden Gebiete Utopias enthielten mehr Verkabelung als zwei Pentagons oder die Stadt Springfield in Illinois. Die Konstrukteure hatten beschlossen, das Niemandsland rings um das Gleisgefälle als Kanal für die interne Verkabelung zu nutzen. Sie hatten das Gefälle mit zwei Schichten schalldichter Wände umgeben. Zwischen diesen schalldichten Wänden, einem schmalen, zwölf Meter hohen Raum, lag Utopias zentrales Nervensystem. Endlose Ströme von Koaxial-, Cat-5- und Digitalkabeln liefen, von Glasfaserkupplungen und Anschlussdosen unterbrochen, an den Wänden hinauf. Der gesamte Kanal war autonom und erforderte außer monatlichen Inspektionen keinerlei Wartung. Demgemäß war er eine lichtlose Zone, in der nur ein einsamer Reinigungsroboter hauste.
    Heute jedoch hatte der Reinigungsroboter Gesellschaft.
    In einer Ecke des Kabelkanals saß ein Mann auf einem Campingklappstuhl. Er trug den blauen Overall eines Utopia-Elektrikers und lehnte mit dem Rücken an einem großen Mehrzweckkoffer, der an einen roten Handkarren geschnallt war. In dem offenen Koffer befand sich ein leistungsstarker Minicomputer, auf dessen Frontverkleidung Kontrolllämpchen wie feurige Nadelspitzen im matten Licht des Kanals leuchteten. Ein Dutzend Kabel unterschiedlicher Dicke führten von dem Computer zur nahen Wand. Sie waren dort mit Alligatorklemmen und digitalen Kopplern an

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