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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sich zum Schutz wie auch zum Austausch von Waren zusammenzutun. Unterstände, aus Stangen zusammengefügt und mit einem Strohdach abgedichtet, wechselten sich ab mit Grashütten, steinernen Schreinen für alle möglichen Götter und Göttinnen, mit aus Weiden geflochtenen Ställen für Tiere und mit Verkaufsständen, die jetzt dunkel und leer waren und erst am nächsten Morgen wieder in Betrieb genommen wurden. Während die meisten Durchziehenden sich beim Anbruch des neuen Tages erneut auf den Weg machten, hatte sich, nicht anders als auf anderen Rastplätzen, auch hier eine kleine Gruppe dauerhaft angesiedelt – Bauern aus der Umgebung, Handwerker, Gaukler und Prostituierte. Einige Geschäftstüchtige hatten für die, die es sich leisten konnten, aus Holz und Gips stabilere Herbergen mit getrennten Zimmern und angrenzendem Dampfbad errichtet.
    Dieser Mann hingegen, den das Freudenmädchen in Augenschein nahm, hatte sich nicht in einer Herberge eingemietet, obwohl er so aussah, als könnte er es sich leisten. Stattdessen hatte er sich ein kleines Areal im Freien abgesteckt, um dort seine Schlafmatte auszubreiten. Er hatte ein einfaches Mahl zu sich genommen, Tortillas, gefüllt mit Kaninchenfleisch, das er einem hier ansässigen Händler abgekauft hatte. Pulque und Zigarren hatte er abgelehnt, und jetzt starrte er in die Flammen wie jemand, dem etwas im Kopf herumging.
    Eine Frau, befand sie und stellte sich auf einen einträglichen Abend ein. Ein Mann, der sich nach einer Frau sehnte, konnte ungemein großzügig sein.
    Als sie aber mit einem leisen »Die Götter mögen dich segnen« und einem betörenden Lächeln auf ihn zuging, schaute er sie erst verständnislos an, um dann, als er begriff, worauf sie aus war, den Kopf zu schütteln und keineswegs schroff, sondern höflich abzulehnen.
    Sie seufzte und ging weiter. Es gab genug einsame Männer im Lager.
    Chac versank wieder ins Brüten. Was hatte Ixchel zum Abschied gesagt? »Zeit und Raum vermögen zwei durch die Liebe verbundene Menschen nicht zu trennen. Ob ihr beide, Tonina und du, einander nahe seid oder einen Kontinent voneinander entfernt, tut nichts zur Sache, denn Liebe überbrückt Zeit und Raum und verbindet euch. Das Volk meines geliebten Cheveyo hängt dem Glauben an das Einssein an, das heißt, es vertraut darauf, dass alles im Universum miteinander verbunden ist.«
    Es war wohl kraft dieses Glaubens, dass Ixchel in der unterirdischen Höhle überlebt hatte. Tagtäglich musste sie sich ihre Verbindung mit Cheveyo vor Augen gehalten haben, wo immer er sich auch befinden mochte, sich bewusst gemacht haben, dass das Band ihrer Liebe unzertrennbar war. Ixchels Hoffnung und ihr Optimismus übertrugen sich allmählich auch auf Chac, obwohl ihm die Trennung von Tonina noch schwerer fiel als erwartet und er am liebsten umgekehrt wäre. Aber der Ruf von Chapultepec winkte, auch wenn es noch viele Tage entfernt war.
    Die friedliche Stille im Lager wurde durch die späte Ankunft einer Gruppe von Männern durchbrochen, die offensichtlich auch noch nach Sonnenuntergang weitergezogen waren. Wortreich riefen sie nach pulque und Tortillas und nahmen ungeniert am größten Lagerfeuer Platz, wo sich noch die Überreste eines Wildbrets am Spieß drehten.
    Chac beachtete sie nicht weiter. Erst als er das Wort »Maya« aufschnappte, hob er den Kopf. Da seine Nahuatl-Kenntnisse noch immer dürftig waren, verstand er nur Bruchstücke von dem, worüber sich die Männer unterhielten. Aber es genügte. Eine kleine Armee, so bekam er mit, zog unter Führung eines Maya-Prinzen durch das Land, verwüstete alles, was ihr unterkam. Was nach Meinung der erregten Neuankömmlinge (bei denen es sich um Flüchtlinge aus einer zerstörten Ortschaft handelte) an den Invasoren so ungewöhnlich sei, wäre, dass der Anführer der Maya männliche Dorfbewohner nicht sofort erschlagen ließ oder gefangen nahm, sondern ihnen freistellte, als Soldaten seiner Armee unter seinem Kommando zu dienen. Die Armee, so erzählten sie, sei auf dem Weg nach Teotihuacán.
    Chac erstarrte. Balám!

    »Du musst deine Mutter einweihen«, sagte H’meen behutsam, in der Annahme, dass es sich um Chacs Baby handelte und Toninas Entsetzen darauf zurückzuführen sei, dass sie befürchtete, eine zu nahe Verwandtschaft könnte eine Heirat unmöglich machen.
    Von Türkisrauch und seiner Armee beschützt, lagerten sie im grünen Hügelland unweit der alten Stadt Matacapán am Golf. Dies war Olmekenland, ein einstmals

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