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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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erwiderte Lottie. »Ich schätz, ‘s war ein guter Handel, denn sie sagt, wenn die Pest erst mal voll in ‘nem Kind steckt, kostet der Talisman zum Wegmachen mehr als nur der zum Bannen.« Da Tom Mowbray manchmal für Sam gearbeitet hatte, wusste ich zufällig, dass sein Wochenlohn selbst in guten Zeiten nur fünf Pence betrug.
    Nur mühsam konnte ich an mich halten. Schlie ß lich konnte m an Einfaltspinsel wie den Mowbrays keine Vorwürfe machen, wenn sie auf solchen Abe r glauben hereinfielen. Aber in mir pochte der Zorn auf dieses räuberische Weib, egal, wer es war. Wä h rend ich die Kratzer des Säuglings wusch und mit meiner Salbe bestrich, versuchte ich, meine Finger schmetterlingsleicht zu halten. Als ich fertig war, wickelte ich den Buben in das saubere Leintuch, das mir Elinor gegeben hatte, und bettete ihn mit dem Lammfell in den ausgehöhlten Baumstamm, der den Mowbrays als Wiege diente. Dann trug ich den Nachttopf zur Tür und schüttete seinen Inhalt im h o hen Bogen in den Hof hinaus. Als Lottie dabei laut aufschrie, packte ich sie an den Schultern und schü t telte sie. »Hier«, sagte ich und streckte ihr die Salbe hin. »Sie kostet dich nichts. Wenn der Raum am Morgen warm genug ist, lässt du ihn eine Weile nackt. An der Luft heilen seine Schnitte besser. Dann bestreichst du sie genau so mit der Salbe, wie du’s bei mir gesehen hast. Füttere ihn, so gut es geht, und meide jeden, von dem du weißt, dass er krank ist. Das ist alles, was wir gegen die Pest tun können. Und nur das. Im Übrigen bete zu Gott um Erlösung, denn Satan wird sie nicht bringen, und auch jene nicht, die in seinem Schatten arbeiten.« Alles Zeitverschwe n dung. Ihr leerer Blick verriet es mir. Ich seufzte.
    »Sieh zu, dass du diesen Topf gründlich scheuerst, ehe du wieder darin kochst«, sagte ich. »Füll ihn mit Wasser und lass ihn heute Nacht über dem Feuer au s kochen. Verstehst du?« Nun nickte sie stumm. W e nigstens das konnte sie begreifen: Töpfe sche u ern.
    Als ich die Hütte verließ, blieb ich mit der Zehe an einem losen Stein hängen und stolperte, wobei ich mir die Hand aufschürfte, mit der ich den Sturz a b fangen wollte. Wut stieg in mir auf, und ich fluchte. Während ich die Schürfwunde aussog, fragte ich mich, warum wir alle, vom Herrn Pfarrer auf seiner Kanzel bis zur dummen Lottie in ihrer Hütte, ganz versessen d arauf waren, die Pest unsichtbaren Mäc h ten zuzuschreiben? Warum sollte sie eine von Gott gesandte Probe für unseren Glauben oder das böse Werk des Teufels auf Erden sein? Ersteres glaubten wir mit Inbrunst, das andere verachteten wir als Aberglaube. Vielleicht war aber beides gleicherm a ßen falsch. Vielleicht schicken weder Gott noch der Teufel die Pest. Vielleicht war sie nichts weiter als ein Teil der Natur, genau wie jener Stein, an dem wir unsere Zehe stoßen.
    Doch glaubte ich wirklich, Gott lege mir diesen Fels in den Weg, um mich zu Fall zu bringen? Einige würden das mit Gewissheit bestätigen: Gottes Finger bewegt jedes Staubkorn. Ich sah das nicht so. Und doch wäre ich eher geneigt gewesen, darin ein Werk von Gottes Händen zu erkennen, wenn ich mir an diesem Stein den Kopf angeschlagen hätte und nun schwer verletzt daläge. Wo also im Weltenlauf wü r den Ereignisse nach meinem Glauben die Waagsch a le so weit kippen lassen, dass sie Gottes Aufmer k samkeit erregten? Wenn es mir schon nicht einleuc h tete, dass Er sich um die Lage eines Steins kümmert, warum sollte ich dann glauben, dass ihm ein winz i ges Leben wie meines am Herzen liegt? In dem M o ment wurde mir klar, dass wir, jeder Einzelne von uns, ungeheuer viel Zeit mit dem Nachdenken über solche Fragen verschwenden, die wir letztendlich doch nicht beantworten konnten. Wenn wir die Zeit, die wir mit Gedanken an Gott verbrachten, eher da r auf verwenden würden zu begreifen, wie sich die Pest ausbreitet und unser Blut vergiftet, kämen wir vielleicht der Rettung unseres Lebens einen Schritt näher.
    Derlei Gedanken mochten frevlerisch sein, bargen aber auch einen kleinen Hoffnungsschimmer in sich. Denn wenn wir uns gestatten könnten, die Pest ledi g lich als etwas Natürliches zu betrachten, müssten wir uns nicht den Kopf über irgendeinen himmlischen Plan zerbrechen, der sich erst vollenden müsste, ehe die Krankheit abflaute. Dann könnten wir uns damit einfach wie ein Bauer auseinander setzen, der sich abmüht, sein Feld von unerwünschten Wicken zu säubern. Eines wussten wir dann: Wenn wir erst die

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