Das Portal der Dämonen - Connolly, J: Portal der Dämonen - The Gates
gespielt, die Sache mit der Hölle wegzulassen, doch er fand, so betone sein Schreiben die Dringlichkeit mehr. Er wusste ja nicht genau, wie viele Leute pro Tag an »Frag den Experten« schrieben und ob es nur ein einziger Fachmann war oder ein ganzes Team. Auf jeden Fall musste er die Aufmerksamkeit von CERN auf seine Anfrage lenken, und die Erwähnung von bösen Geistern und der Hölle würde wohl schon dafür sorgen, dass sich seine E-Mail von allen anderen abhob.
Er klickte auf die Sendentaste und sein Schreiben schoss in den Cyberspace. Er überlegte, ob er am Computer bleiben und auf die Antwort warten sollte. Aber dann entschied er sich dagegen. Falls tatsächlich jemand sofort seine E-Mail las, bräuchte es bestimmt gewisse Absprachen und Rücksprachen, ehe man sie beantwortete.
In der Zwischenzeit hatte Samuel nicht vor, untätig herumzusitzen. Es war Halloween und er hatte mit angehört, wie Mrs Abernathy gesagt hatte, dass sie und ihre Dämonenkollegen vier Tage Zeit hatten, um den Weg zu bereiten. Samuel wusste nicht genau, was es bedeutete, »den Weg zu bereiten«, aber man musste nicht lange rechnen, um herauszufinden, dass vier Tage nach dem 28. Oktober der 1. November war. Samuel hatte das schreckliche Gefühl, dass sich irgendwann am nächsten Tag die Tore der Hölle öffnen würden.
Also griff Samuel zum Telefon und rief ein paar Leute an.
Es wäre falsch zu behaupten, dass Samuel in der Schule unbeliebt war. Es gab zwar ein paar Jungen und Mädchen in seiner Klasse, die ihn schräg ansahen, besonders dann, wenn er über Engel und Nadelspitzen redete, aber meist kam er mit jedermann gut aus. Allerdings konnte er sich auch gut allein beschäftigen, und nachdem er nun zwei Monate lang mit lauter Gleichaltrigen in ein kleines Klassenzimmer gesperrt gewesen war, genoss er es, in den Ferien für sich zu sein. Seine engsten Freunde waren Tom Hobbes und Maria Mayer. Toms Vater fuhr die Milch für die örtliche Molkerei aus, in der auch seine Mutter arbeitete, und Marias Vater war bei der Telefongesellschaft angestellt.
Samuel, Tom und Maria hatten vorgehabt, am Abend Süßigkeiten sammeln zu gehen, daher waren Tom und Maria ein wenig überrascht, so früh am Tag schon von Samuel zu hören.
Als Samuel verkündete, dass er ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen hätte, waren beide sofort neugierig. Sie verabredeten sich vor der Konditorei in der Stadtmitte. Samuel mit Boswell im Schlepptau erwartete Tom und Maria bereits, als die beiden kurz nach ein Uhr mittags nacheinander auftauchten. Die Konditorei hieß Petes Plunderstube, obwohl Pete schon seit vielen Jahren tot war und sein Sohn Nigel nun all das leckere Gebäck herstellte, aber Nigels Konditorei klang nicht so gut, und auch wenn Nigel den Namen geändert hätte, hätte dennoch jeder weiterhin Petes Plunderstube gesagt. Was das betrifft, sind die Leute in kleinen Städtchen sonderbar.
Vor dem Geschäft standen stets Tische und Stühle auf der Straße, sogar im Winter, deshalb war die Konditorei ein beliebter Treffpunkt. So wie schon Pete hatte auch Nigel nichts dagegen, wenn sich Leute dorthin setzten, ohne etwas zu bestellen. Denn auch wenn sie nicht vorgehabt hatten, ein Stück Kuchen zu kaufen, machte ihnen der Duft von drinnen den Mund wässerig, und es dauerte meist keine Minute, bis sie im Laden standen und ein Stück Kuchen zum Mitnehmen verlangten. Nach einer weiteren Minute hatten sie den Kuchen aufgegessen und überlegten, noch ein Gebäckstück als Nachspeise mitzunehmen, vielleicht diesmal mit Apfel und Himbeeren.
Eines von diesen Apfel- und Himbeertörtchen aß Samuel gerade, als Tom und Maria an seinen Tisch geschlendert kamen. Tom war ein paar Zentimeter größer als Samuel und er hatte, wie man so schön sagt, ein sonniges Gemüt. Er war immer guter Laune, es sei denn, die Kricketmannschaft der Schule, deren bester Schlagmann er war, hatte verloren. Sonst war Tom ein guter Verlierer, aber nicht, wenn es um Kricket ging. Wenn Tom und Samuel sich stritten, dann nur auf dem Kricketfeld. Samuel war ein guter und kräftiger Werfer, aber er sah schlecht und hatte oft Schwierigkeiten, den Ball zu fangen. Deshalb war er einerseits ein gesuchter Mitspieler, andererseits ein Risiko, und mehr als ein Spiel hatte damit geendet, dass er und Tom sich gegenseitig aus Leibeskräften anschrien. Trotzdem blieben sie Freunde, und insgeheim bewunderte Tom Samuel ein wenig, weil sein Gehirn in einer Art und Weise arbeitete, die Tom in Staunen
Weitere Kostenlose Bücher