Das Prometheus Mosaik - Thriller
hatte aus seinen Kenntnissen der Genetik, sie nie praktisch angewandt hatte.
Andererseits, was wusste sie schon über ihn? So wenig wie jeder andere, vielleicht sogar noch weniger als die meisten.
»Ich wüsste gern mehr über ihn«, sprach sie aus, was eigentlich nur zum Denken bestimmt gewesen war – und woran sie nicht zum ersten Mal dachte.
»Ach ja?«
Fio musste den Blick, den Andrea ihr zuwarf, gar nicht sehen, um zu wissen, welcher Art er war. Ihr Ton verriet genug.
»Doch nicht so«, verteidigte Fio sich und wurde trotzdem ein bisschen rot dabei – nicht weil sie beim Sündigen ertappt worden war, sondern weil Andrea offenbar glaubte, Fio könnte für den Professor etwas empfinden.
Aber so war es wirklich nicht.
Döberin interessierte sie, ja, jedoch nicht als Mann. Zum einen waren Männer nach dem Leben im Kloster immer noch Fremde für sie; Fremde, auf die sie zwar neugierig war, vor denen sie sich aber auch ein wenig fürchtete – weil sich in ihnen alles verbergen konnte. Zum anderen war an Döberin etwas, das ihn über sein Mannsein hinaus in Fios Augen noch verfremdete. Von ihm ging irgendetwas aus, an das man ganz automatisch nicht rühren wollte, ganz ähnlich einer Pflanze oder einem Tier, dem man schlicht und ergreifend ansah, dass es giftig war.
»Er interessiert mich als Wissenschaftler, als Koryphäe, verstehst du?«, sagte sie zu Andrea. »Ich bin überzeugt, man könnte von ihm noch viel mehr lernen als das, was er im Hörsaal zu teilen bereit oder imstande ist.«
»Herzchen, darf ich dir was sagen?«, flüsterte Andrea.
»Sicher.«
»Du solltest dir gelegentlich selber zuhören – manchmal redest du nämlich wie eine Betschwester.«
Fio wollte schon gekränkt auffahren, als Andreas gutmütig-spöttischer Blick sie doch wieder besänftigte.
£5 gibt noch Hoffnung, dachte sie, sich ein wenig über sich selbst lustig machend. Ich gewöhne mich scheinbar ein in diese Welt …
Als sie im Foyer angelangten, fragte Andrea: »Kommst du mit zum Mittagessen oder …?«
»Oder.« Fio grinste, nicht so frech, wie sie es gern getan hätte, sondern entschuldigend, so wie es ihre Art war.
»Bibliothek?«
»Bibliothek.«
»Frag doch mal, ob sie dich ein Bett reinstellen lassen«, meinte Andrea, nur halb im Scherz. »Dann würdest du dir die Miete für deine Bude sparen und dich mehr zu Hause fühlen.«
»Eine herrliche Vorstellung«, schwärmte Fio.
»Das wird man Ihnen, befürchte ich, nicht gestatten.«
Andreas Augen weiteten sich. Fio fuhr herum. Sie hatte die Stimme gleich erkannt; trotzdem nahm ihr die Überraschung für eine Sekunde den Atem.
Döberin?
Er war auf die ihm eigene Weise aufgetaucht: Wie ein Geist, lautlos und scheinbar aus dem Nichts, stand er auf einmal einfach da.
Natürlich war er nur aus einem der Seitengänge gekommen, es konnte ja nicht anders sein. Nur gesehen hatte Fio es nicht. Allerdings hatte sie auch nicht hingeschaut …
Ein halbes Dutzend Augenpaare blickten unterdessen zu ihnen herüber, und immer mehr wandten den Kopf, gingen eine Spur langsamer. Professor Döberin »in freier Wildbahn« – das sah man schließlich nicht alle Tage.
»Signorina Gallo?«
Den Nachnamen hatte Fio sich selbst ausgesucht, nachdem sie einen eigenen ja nicht besaß. Sie hatte ihn sich geliehen von Fabio Gallo, der einmal in der Woche die Grundnahrungsmittel ins Stift geliefert hatte, die der Orden dort nicht selbst anbauen konnte. Fabio war ein netter alter Mann; einen wie ihn hätte Fio sich zum Großvater gewünscht, wäre ihr ein solcher Wunsch gewährt worden. Und wäre Fabio der Vater ihres Vaters gewesen, hätte sie ja auch seinen Nachnamen getragen.
»Ja?« Fio schluckte, spürte Andreas Blick auf sich, der zwischen ihr und Döberin hin und her hüpfte. »Herr Professor?«
»Ich hätte eine Bitte an Sie, Signorina.«
»Eine Bitte an mich?«, staunte Fio. Sie schauderte ein ganz klein wenig vor Ehrfurcht – oder aus einem Gefühl, das sie bis jetzt noch nicht kennengelernt hatte.
»Eine Bitte«, bekräftigte Döberin, und seine Augen wichen auch im Nicken, knapp wie das am Ende seiner Vorlesungen, nicht von ihr, »und vielleicht ein Angebot.«
Fio konnte sich gerade noch daran hindern, blöde zu wiederholen: Ein Angebot?
»Aha«, machte sie stattdessen; das klang zumindest in ihren Ohren nicht ganz so begriffsstutzig.
Döberins nachlässig gestutzter Bart verzog sich unter der Bewegung seiner Lippen, die ein leichtes Lächeln formten.
»Dazu würde ich
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