Das Prometheus Mosaik - Thriller
zu holen?
Nichts …
Immer noch gar nichts.
Sie stand zwar nicht mit leeren Händen da. Nur hatte sie keine Ahnung, wie das, was sie in Händen hielt, zusammenzusetzen war, um wenigstens andeutungsweise einen Sinn zu ergeben.
Also blieb ihr nichts anderes zu tun, als zu warten und zu bangen und zu hoffen – worauf auch immer …
Eine Minute oder eine Ewigkeit verging, bis Fio hörte, wie eine Tür geöffnet wurde. Dann Schritte im Dunkeln, die auf sie zuzukommen schienen, dazu das Licht einer Taschenlampe, das sie wiederum knapp verfehlte. Sie drückte sich in eine Mauernische, zitterte so heftig, dass sie fürchtete, es müsse zu hören sein, betete stumm, bitte, bitte nicht entdeckt zu werden. Die Schritte kamen näher. Verstummten. Wieder huschte Lichtschein hierhin und dorthin. Die Schritte kamen noch näher – und jemand ging an ihrem Versteck vorbei. Dann wurden die Schritte leiser und verklangen endlich ganz.
Fio fühlte sich wie von Schüttelfrost gebeutelt. Ihre Haut klebte vor Schweiß, das Herz schien ihr in der Brust explodieren zu wollen. Und doch war die Versuchung, ihr Wunsch, diesem Mann heimlich zu folgen, fast übermächtig. Wer er auch sein mochte, er kannte gewiss einen Weg aus diesem riesigen Labyrinth unter Wien; er bewegte sich hier wie jemand, der genau wusste, wo er hinwollte, und alle Wege kannte.
Fio ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Sie blieb, weil etwas anderes sie mehr interessierte als die Möglichkeit, wieder nach oben zu gelangen.
Döberin …
Sie wusste jetzt, in etwa wenigstens, wo er zu finden war, wo er sich versteckte oder zumindest aufhielt.
Und die Tür zu seinen Räumen musste noch offen sein. Denn Fio hatte nicht gehört, wie sie sich hinter dem fremden Mann geschlossen hatte, im Gegensatz zu vorher, da sie hinter ihm laut ins Schloss gekracht war.
Sie schlich in die Richtung, aus der die Stimmen gekommen waren, vorbei auch jetzt an etlichen Türen, von denen die meisten verschlossen waren.
Dann, nach einer ganzen Weile, in der sie sich wie in Zeitlupe bewegt hatte, nach jedem Schritt stehen geblieben war und in die Dunkelheit gelauscht hatte, kam sie zu der einen offenen Tür. Licht fiel durch einen Spalt auf den Gang hinaus, es flackerte, war rötlich, lief wie frische Farbe über Wand und Boden. Im Näherkommen roch Fio brennendes Holz.
Bevor sie Gelegenheit hatte, durch den Türspalt in den Raum dahinter zu spähen, blieb sie noch einmal stehen. Mit angehaltenem Atem horchte sie um die Ecke herum, sozusagen. Und sie meinte, jemanden ganz leise atmen zu hören, das fast nicht wahrnehmbare Rascheln seiner Kleidung, das beinahe lautlose Knacken eines Gelenks oder zweier Wirbel, all das, was in seiner Gesamtheit die Anwesenheit eines Menschen verraten konnte, den man nicht sah.
Fio sah ihn im nächsten Augenblick, als sie endlich an die Tür trat und um deren Rahmen herum in den Raum spähte.
Döberin stand mit dem Rücken zu ihr. Ein Stein fiel ihr vom Herzen; sie hatte Angst gehabt, durch den Türspalt zu blicken und Döberin dabei genau ins Gesicht, in die Augen zu sehen.
Doch er stand nur da, bewegte sich nicht und machte nicht den Eindruck, dass er sich gleich oder in den nächsten Sekunden umdrehen würde. Nur die Finger seiner linken Hand rührten sich, ließen die kleine Figur wandern; vielleicht taten sie das sogar, wenn Döberin schlief, überlegte Fio, und etwas an dieser Vorstellung ließ sie frösteln.
Das Licht im Raum, das von einem Kaminfeuer ausstrahlte, beleuchtete das Innere nicht wirklich, berührte vieles nur und ließ Fio es erahnen. Darunter, neben Möbeln wie aus einem herrschaftlichen Salon, auch das Bild, vor dem Döberin stand. Sie konnte lediglich erkennen, dass es groß war und kein Gemälde. Was es zeigte, war nicht zu sehen, nicht von der Tür aus, nicht in diesem Licht, das zu einem großen Teil aus Schatten bestand.
Als dann doch Bewegung in Döberins starre Gestalt kam, geschah dies so unvermittelt, dass Fio erschrak. Hastig schlug sie sich die Hand vor den Mund, aus Angst, ihrer Kehle könnte ein Schrei entweichen.
Döberin ließ das Tonfigürchen nun doch in der Hosentasche verschwinden. Weil er die linke, die gesunde Hand brauchte. Er hob sie, berührte das Bild. Er tat irgendetwas, seine Finger schienen über die Wand zu krabbeln – und dann staunte Fio. Denn das Mauerwerk vor Döberin bewegte sich auf einmal.
Knirschend schien ein etwa türgroßer Ausschnitt der Wand vor Döberin zurückzuweichen. Dann
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