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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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es auch, also nur zu, keine Scheu.«
    Der Blick, den ihr Rufus zuwarf, war das ganze verkorkste Frühstück wert. Wäre es ein Kupferstich gewesen zur Illustration eines Romans, wäre er beschriftet gewesen mit » › Schweig, Frau‹, sagte der Gutsherr mit eisiger Stimme « . Es sah aus, als könnte er es nicht erwarten, sich in sein Studierzimmer oder die Bibliothek oder irgendein anderes der zahlreichen Zimmer, die ich noch nicht entdeckt hatte, zurückzuziehen und sich erst wieder herauszubegeben, wenn er seine Times ausgelesen hatte.
    Die Zeitung lag neben ihm im Sessel, ein anständiger Batzen Papier, und ich hoffte, dass er sie am Ende nicht sofort verfeuerte, sondern sie irgendwo landete, wo ich selbst einen Blick hineinwerfen konnte. Die Times bekam ich nur sehr, sehr selten in die Finger; Miss Mountford las so etwas nicht, und ich hatte schon Glück haben müssen, um beim Spaziergang ein paar Seiten aus einem Papierkorb im Park ziehen und schnell unter meiner Schürze verschwinden lassen zu können. Mir war für gewöhnlich egal, was für ein Papier es war, Hauptsache, bedruckt. Jetzt hoffte ich, dass Rufus nicht die Wochenausgabe bestellt hatte, sondern jeden Morgen mit der ersten Post die neue Zeitung geliefert bekam, darin alles, was in der Welt und vor allem in London passierte. Ich musste zugeben, ein bisschen Heimweh hatte ich doch. So weit weg von der Stadt, und ich wusste nicht, ob ich sie jemals wiedersehen würde …
    Wirklich, ich kannte London auch nicht besser, als Lucy oder Alan es taten. Ich sagte immer, dass ich aus London kam, weil sich das größer anhörte, aber die Wahrheit war, dass ich über Whitton nie hinausgekommen war, und der Crane war längst nicht die Themse. Doch ich hatte immer gewusst, wo ich war – jetzt hingegen hatte ich keine Ahnung, wo im Land ich mich befand. In Hollyhock war ich aus der Welt herausgerissen worden, und auch aus der Zeit. Alles lag nun in einem rosigen Nebel; ebenso gut konnte ich in ein Gemälde hineingezaubert worden sein oder in eine Glaskugel. Ich hätte Alan fragen sollen, wo ich mich befand, als dieser zu müde und erschrocken war, um mich dafür auszulachen, aber jetzt war es zu spät. Irgendwann würde ich es schon in Erfahrung bringen, und wenn es bedeutete, einen Brief an den König schreiben zu müssen. Und wenn der Brief als unzustellbar zurückkam, konnte ich wenigstens lesen, was auf dem Poststempel stand.
    »Ich werde alles aufschreiben, was mir auffällt«, sagte ich heiser und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. »Wenn Sie mir das Schreibzeug geben, kann ich mich gleich an die Arbeit machen.« Wieso hatte ich es auf einmal so eilig?
    Rufus, immer noch ohne ein Wort zu sagen, deutete auf ein kleines Päckchen, das auf einem Beistelltisch nahe der Tür lag, noch so verschnürt, wie es vom Kaufmann gekommen sein musste. Ich vermutete, wenn ich darüber hinaus noch etwas brauchte, konnte ich das sicher genauso anmelden, aber erst einmal wollte ich sehen, was das hier war. Ich hatte noch nie ein Päckchen bekommen – manche Mädchen in St. Margaret’s, die noch Großeltern besaßen oder eine entlegene Tante, erhielten zu Weihnachten oder zum Geburtstag ein Geschenk geschickt, das sie dann feierlich und unter aller Augen auspacken durften. Insgeheim hatte ich sie immer beneidet, auch wenn doch wieder nur Strümpfe darin waren oder Wolle zum Stricken oder irgendetwas anderes, womit ich nicht viel anfangen konnte. So stellte ich mir das jetzt auch vor, diese Aufregung, wenn man das Papier zerriss, die Spannung, wenn man an dem unbekannten Ding herumtastete – daran wollte ich denken, nicht an das Kinderlachen, das ich mir bestimmt nur eingebildet hatte.
    Als ich das Päckchen endlich im Puppenzimmer auspacken durfte – ich wäre ja sofort vom Frühstückstisch aufgestanden, aber natürlich hatte ich warten müssen, bis Violet beschloss, die Tafel aufzuheben, und nach einem Mädchen klingelte, um das Geschirr abräumen zu lassen –, war das Ergebnis die ganze Aufregung natürlich nicht wert. Unter dem Packpapier kam ein Heft zum Vorschein, oder besser gesagt eine Kladde, mit blauem Einband, sehr einladend, als hätte man gar keine Wahl, als Geschichten hineinzuschreiben, aber leider war das Ganze ja für viel langweiligere Aufzeichnungen gedacht. Ein Lineal, um die Puppen zu vermessen, und ein Schneidermaßband. Außerdem Schreibzeug: ein Bleistift und ein Federhalter. Mein eigener Federhalter! Er war nicht vergoldet und sah nicht

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