Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
lockerte sich um keinen Deut, aber danach war es viel besser zu ertragen – als auch für den Hinweis. Wenn sie nicht für Anaiya aufstehen musste, dann musste sie ihr sicherlich auch nicht gehorchen. Es sei denn natürlich, Anaiya wäre bloß höflich gewesen. Beinahe hätte sie geseufzt. Weitere Beobachtungen waren nötig, bevor sie ihre Schlüsse ziehen konnte.
Sie verließ das Quartier der Blauen mit der breiten Stola fest um die Schultern gewickelt – sie wollte noch nicht ohne Stola gehen; außerdem half sie gegen die frostige Luft – und fragte sich, was Tamra von ihr wollte. Ihr fiel nur eine Möglichkeit ein. Jetzt, da sie und Siuan erhobene Schwestern waren, würde Tamra sie möglicherweise zu einer ihrer Sucherinnen machen. Schließlich wussten sie Bescheid. Nichts anderes ergab einen Sinn. Sie beschleunigte ihre Schritte.
»Aber ich will keine Aufgabe«, protestierte Siuan, deren Magen wieder vor Hunger knurrte. Nach Stunden in Cetalias Gemächern, die so voller Bücher und aufgestapelten Kisten voller Papiere waren, dass sie einer Braunen zu gehören schienen, fühlte sie sich wie ausgewrungen. Und die Frau schien noch nie von Stuhlkissen gehört zu haben. Ihre Stühle waren so hart wie ein Stein!
»Seid nicht albern«, sagte die grauhaarige Schwester ungerührt und schlug die Beine übereinander. Sie warf die letzten Seiten, die sie Siuan gegeben hatte, achtlos auf den Schreibtisch, auf dem sich bereits andere Papiere stapelten. »Ihr wart nicht schlecht für eine Anfängerin. Ich brauche Euch, und damit ist die Sache erledigt. Ich erwarte Euch hier morgen früh zum Zweiten Wecken. Und jetzt geht etwas essen. Ihr seid jetzt Aes Sedai; Ihr könnt nicht herumlaufen und Euch dabei wie ein kaputtes Abflussrohr anhören.«
Weiterer Protest war sinnlos. Die verdammte Frau hatte bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihrer Meinung nach zwei Proteste einer Unhöflichkeit gefährlich nahe kamen. Verfluchtes, verfluchtes Weibsstück! Siuan ließ sich ihre Wut aber nicht anmerken; diese Lektion hatte sie schon lange vor Tar Valon gelernt. Wenn man auf den Fischerdocks Wut oder Angst zeigte, konnte das einen in Schwierigkeiten bringen. Manchmal konnte es einem ein Messer im Rücken einbringen.
»Wie Ihr befehlt, Cetalia«, murmelte sie, was eine weitere hochgezogene Braue zur Folge hatte. Nur mit Mühe gelang es ihr, nicht aus dem Gemach hinauszustolzieren. Draußen stolzierte sie, und zum Dunklen König mit jedem, dem das nicht passte!
Sollte man sie doch zu Asche verbrennen, warum war sie nur so dumm gewesen, sich von der Frau ködern zu lassen? Moiraine hatte zur Vorsicht geraten, und stattdessen hatte sie versucht, den Zweifel aus der verfluchten Stimme der verfluchten Cetalia zu verscheuchen, indem sie wie Moiraine dachte. Ungeschickte Hände am Ruder ließen das Boot auf Grund laufen, wenn sie es nicht umkippen ließen. Ihr unbeholfenes Rudern bedeutete, dass sie die Burg nicht so bald verlassen würde. Und zwar Jahre nicht, bis sie stark genug war, um Cetalia zu sagen, was sie mit ihrer Arbeit machen konnte. Wenigstens hatte die Frau ihre Krallen nicht in Moiraine geschlagen. Bei ihrem Verstand wäre sie eine großartige Gehilfin gewesen.
Hungrig oder nicht, sie machte sich auf den Weg zu Moiraines Gemächern, um ihre Freundin wissen zu lassen, dass sie sich allein auf die Suche machen musste. Moiraines Anblick ließ sie immer lächeln. In einer Hinsicht hatte sich Cetalia geirrt. Sie war keine hübsche kleine Porzellanpuppe; sie war eine wunderschöne kleine Porzellanpuppe. Jedenfalls nach außen hin. Im Inneren, dort, wo es zählte, war das eine andere Sache. Als Siuan sie das erste Mal gesehen hatte, war sie davon überzeugt gewesen, dass das Mädchen aus Cairhien in wenigen Tagen wie eine Spindelschnecke zerbrechen würde. Aber Moiraine hatte sich so zäh wie sie erwiesen, wenn nicht sogar noch zäher. Ganz egal, wie oft sie zu Boden ging, sie stand sofort wieder auf. Die Bedeutung des Wortes »aufgeben« war Moiraine unbekannt. Darum war es eine Überraschung, sie in ihrem Wohnzimmer zusammengesunken auf einem Stuhl zu finden, die Stola auf einem Stuhl abgelegt, einen mürrischen Ausdruck auf dem Gesicht. Die grüne Teekanne auf dem Tablett roch nach heißem Tee, aber die weißen Tassen erschienen unbenutzt.
»Was ist mit dir passiert?«, fragte Siuan. »Du hast dir doch wohl nicht schon eine Buße eingehandelt, oder?«
»Schlimmer«, erwiderte Moiraine unglücklich. Für gewöhnlich
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