Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
einem ihrer Offiziere stand.
»Fasst Euch kurz«, sagte sie knapp. Wie kann er es nur wagen, mich so anzusehen? Ich sollte ihn auspeitschen lassen. »Welche Neuigkeiten sind denn so wichtig, dass Ihr deswegen in mein Gemach kommt, als sei es der Schankraum einer Taverne?« Sein Gesicht lief noch dunkler an, aber sie wusste nicht, ob aus angemessener Verlegenheit, oder ob sich lediglich sein Zorn noch gesteigert hatte. Wie kann er es nur wagen, auf seine Königin zornig zu sein? Glaubt der Mann, ich hätte nichts anderes zu tun, als ihm zuzuhören?
»Eine Rebellion, meine Königin«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme, und alle Gedanken an Zorn und freche Blicke waren mit einem Mal fortgewischt.
»Wo?«
»An den Zwei Flüssen, meine Königin. Jemand hat dort die alte Flagge von Manetheren gehisst, den Roten Adler. Ein Bote kam heute morgen aus Weißbrücke.«
Morgase trommelte mit den Fingern auf dem Buch, und ihre Gedanken waren, wie ihr schien, klarer als je zuvor. Irgendetwas mit den Zwei Flüssen nagte in ihr, aber sie kam noch nicht darauf, was es war. Diese Region war ja kaum ein richtiger Teil Andors, und das war schon seit Generationen so gewesen. Sie hatte genau wie die drei Königinnen vor ihr Schwierigkeiten gehabt, die Minenarbeiter und Schmelzer in den Verschleierten Bergen auch nur halbwegs unter Kontrolle zu halten. Und selbst das wäre nicht zu schaffen gewesen, wenn es einen anderen Weg gegeben hätte, die Metalle auszuführen, als eben ausgerechnet mitten durch Andor, wo die Handelsstraßen verliefen. Die Wahl, entweder weiterhin die Hand auf Gold, Eisen und die anderen Metalle aus den Bergwerken zu halten, oder stattdessen den Handel mit Wolle und Tabak von den Zwei Flüssen zu beherrschen, war ihr nicht schwergefallen. Aber ein Aufstand, mit dem sie nicht fertig wurde, obschon in einem Teil des Landes, den sie wohl nur der Landkarte nach regierte, konnte zum Flächenbrand werden und sich auf Teile des Landes ausbreiten, die nun wirklich für sie wichtig waren. Manetheren, das während der Trolloc-Kriege zerstört worden war, spukte noch immer vielen Menschen im Kopf herum. Außerdem gehörten ihr die Zwei Flüsse! Auch wenn sie lange Zeit sich selbst überlassen gewesen waren, gehörten sie doch zu ihrem Herrschaftsbereich.
»Wurde Lord Gaebril informiert?« Natürlich nicht. Sonst wäre er mit dieser Neuigkeit zu ihr gekommen und hätte Vorschläge mitgebracht, wie sie damit fertig werden könne. Seine Vorschläge und Anregungen waren immer zutreffend. Vorschläge? Irgendwie schien es ihr, als erinnere sie sich daran, dass er ihr gesagt hatte, was sie tun solle. Aber das war natürlich unmöglich.
»Er wurde informiert, meine Königin.« Tallanvors Stimme klang immer noch unbeteiligt, im Gegensatz zu seinem Gesicht, das nach wie vor zornrot glühte. »Er lachte. Er sagte, die Zwei Flüsse brächten ja wohl ständig Unruhen hervor, und eines Tages werde er sich ernsthaft damit beschäftigen müssen. Und er meinte, dieses unwesentliche Ärgernis müsse im Moment hinter andere, wichtigere Probleme zurücktreten.«
Das Buch fiel zu Boden, als sie aufsprang, und sie glaubte, auf Tallanvors Miene grimmige Befriedigung zu entdecken, während sie an ihm vorbeirauschte. Eine Dienerin sagte ihr, wo sie Gaebril finden könne, und so marschierte sie geradewegs zu dem von Säulen umgebenen Innenhof mit dem Marmorbrunnen, in dessen Becken Fische und Wasserlilien schwammen. Hier war es kühler und sogar ein wenig schattig.
Gaebril saß auf dem breiten, weißen Brunnenrand, und um ihn herum standen Lords und Ladies des Hofstaats. Sie erkannte nur weniger als die Hälfte von ihnen. Da war der dunkelhaarige Jarid aus dem Hause Sarand mit seinem kantigen Gesicht und neben ihm seine zänkische, blonde Frau Elenia. Diese affektierte Arymilla aus dem Hause Marne, die ihre braunen Rehaugen immer in vorgetäuschtem Interesse so weit aufriss, dazu das Bocksgesicht des knochigen Masin aus dem Hause Caeren, der trotz seines dünnen weißen Haars noch mit jeder Frau ins Bett ging, die er dazu bringen konnte. Naean aus dem Hause Arawn, bei der wie gewöhnlich ein höhnisches Lächeln die bleiche Schönheit minderte, und Lir aus dem Hause Baryn, ein sehniger, energiegeladener Mann, der heute ausgerechnet ein Schwert an der Seite trug, und Karind aus dem Hause Anschar, von der man sagte, ihr giftiger Blick habe bereits drei Ehemänner ins Grab gebracht. Die anderen kannte sie nicht, und das war schon einigermaßen
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