Das Rätsel der Templer - Roman
schob ihren Holzteller beiseite und beugte sich vor, während sie Anselm tief in die Augen blickte. »Wie war noch Euer
Name?«, fragte sie süffisant. »Ich wusste gar nicht, dass es unter den Templern |611| Falschmünzer und Betrüger gibt. Alle Achtung, von Euch kann man getrost noch etwas lernen.«
»Er ist kein Templer«, erwiderte Johan eine Spur zu schnell, und als er Anselms enttäuschte Miene sah, fügte er hinzu: »Trotzdem
ist er ein ehrenwerter Mann, der uns offenbar helfen will.«
»Na dann«, sagte Anselm und lächelte versöhnlich, »worauf warten wir noch?«
Ebenso unbemerkt, wie sie gekommen war, schlich sich Freya aus der Stadt heraus. An einer schilfbewachsenen Uferstelle unterhalb
der Brücke nahm sie ihre Schuhe in die Hand und raffte ihr Kleid. Dann watete sie durch die eiskalte Meuse, die ihr an dieser
Stelle bis zu den Oberschenkeln reichte.
Zur selben Zeit wurden die Wachen am Tor abgelenkt, indem sie Anselm und Johan kontrollierten, die für Brot, Getreide, Käse
und frisches Bier einen Ausfuhrzoll zu bezahlen hatten. Ihre anderen Einkäufe versteckten sie geschickt unter ihren Kleidern.
Nicht weit hinter der Brücke nahm Johan die junge Frau in Empfang. Erleichtert darüber, dass sie unentdeckt geblieben war,
hob er sie auf sein Pferd.
Anselm entging nicht, wie Johan für einen Moment selig die Augen geschlossen hielt, als das Mädchen vor ihm zu sitzen kam
und sich an die Brust des Templers schmiegte.
»Wen haben wir denn da?«, entfuhr es Gero, als er sah, mit welch weiblicher Begleitung Johan zurückkehrte. Rasch erhob er
sich von seinem Platz am Lagerfeuer, wo er zusammen mit Hannah und Matthäus ein paar mit der Hand gefangene Forellen am Spieß
briet.
Struan stand ein wenig abseits und schaute kurz auf, dann fuhr er fort, mit einem Wetzstein die Klinge seines Breitschwertes
zu schärfen.
»So sieht man sich wieder«, erwiderte Freya und warf ihr flammendes Haar zurück, nachdem Johan ihr vom Pferd geholfen hatte.
Mit einem Lächeln ging sie Gero entgegen. »Ich wähnte euch längst in Sicherheit«, fuhr sie fort. »Und jetzt muss ich feststellen,
dass ihr – so wie es scheint – allesamt dem Irrsinn verfallen seid und den Weg zurück antreten wollt.«
|612| Gero musterte Freya von Kopf bis Fuß. Dabei entging ihm nicht, dass sie reichlich abgerissen aussah. »Wenn ich Euch so ansehe,
gerate ich ernsthaft in Sorge, dass ihr Recht behalten könntet«, erwiderte er halb im Scherz. »Was ist mit Euch geschehen?«
Mit wenigen Worten berichtete Freya, was ihr widerfahren war.
»Ich bedauere Euer Schicksal aufrichtig«, erklärte er, als sie geendet hatte. »Es ist wohl unsere Schuld, dass Euch solches
Leid widerfahren ist.«
»Ihr solltet Euer Mitgefühl für Euch und Euresgleichen aufheben«, sagte Freya ernst. »Überall verkünden Herolde die Gefangennahme
Eurer Kameraden, und an jedem Kirchenportal steht angeschlagen zu lesen, dass ein jeder, der einem Templer zur Flucht verhilft
oder gar versteckt, mit den schlimmsten Strafen zu rechnen hat.«
Freya sah in die Runde und entdeckte Hannah, die ein Stück weit von Gero entfernt im Schatten einer Eiche saß und offenbar
aufmerksam zugehört hatte. Mit einem argwöhnischen Blick musterte Freya die fremde Frau und entschloss sich dann, ihr freundlich
zuzunicken.
»Wenn Euch Philipps Soldaten erwischen«, fuhr sie schließlich an Gero gerichtet fort, »werden sie Euch häuten und vierteilen
und jeden, der sich in Eurer Begleitung befindet, gleich mit, egal, ob es sich um Männer oder Frauen handelt.«
Gero seufzte, froh darum, dass Hannah kein Franzisch verstand. »Für uns gibt es kein Zurück. Wir haben eine Mission zu erfüllen.
Doch wenn wir Euch zuvor helfen können, eine sichere Zuflucht zu finden, tun wir es gern.« Sein Blick fiel auf die Löcher
in Freyas Surcot. »Vielleicht könnt Ihr etwas Geld gebrauchen? Oder ein paar neue Kleider?«
Ein Lächeln glitt über Freyas Lippen. »Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich mich Euch gerne anschließen. Schließlich haben
wir denselben Feind.« Mit einem begehrlichen Seitenblick auf Johan, der keinem der Anwesenden entging, fuhr sie fort: »Ich
habe gehört, Ihr wollt Euch als Spielleute verkleidet Zugang zur Festung von Chinon verschaffen, um Eure Kameraden zu befreien.
Glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche. Wenn Ihr die Soldaten der Festung wirklich ablenken wollt, braucht Ihr Tänzerinnen,
die keinerlei
Weitere Kostenlose Bücher