Das Roemische Imperium
zerstörerischen Prinzip und der rechten Ordnung bestimmt danach alles kosmische Geschehen, die Geschichte der Welt und das Leben des Einzelnen, der sich zwischen Gut und Böse frei entscheiden und das Böse überwinden kann. Das gelingt ihm vor allem dann, wenn er, wie von Zoroaster gefordert, Gutes denkt, redet und tut. Insofern hat der Zoroastrismus durchaus auffallende Berührungspunkte mit den christlichen und jüdischen Lehren, so dass eine wechselseitige Verstärkung ihres Einflusses in der Region gegeben war und religiöse Grundlagen schuf, die sich als äußerst fruchtbar erweisen sollten. Soldaten brachten den Zoroastrismus wie viele orientalische Kulte auch in den Westteil des Reiches
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Gefangennahme des römischen Kaisers Valerian (rechts) durch den Sassaniden-König Schapur I. im Jahr 260 in einer persischen Darstellung (aus einem zweifarbigen Quarz-Schmuckstein [Sardonyx] geschnittene Szene, 4. Jahrhundert)
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(c) dpa/picture alliance, Frankfurt am Main
Abspaltungen in Nord und Ost
Reichseinheit in Gefahr (260–273)
Im Jahr 260 ereignete sich eine Doppelkatastrophe: Im Norden musste Rom den Limes aufgeben, und im Osten geriet das bislang einzige Mal ein römischer Kaiser in Feindeshand. Beide Ereignisse brachten die Einheit des Reiches in Gefahr, jedenfalls sah es zunächst ganz so aus. Am Rhein hatten die Grenztruppen schon 259 ihren Kommandeur Marcus Postumus zum Kaiser eines Imperium Galliarum ausgerufen, das zeitweilig Britannien und Spanien mitumfasste und das sich mit eigenem Senat und eigenen Behörden von der Zentralmacht zu lösen schien. Hinter dieser Abspaltung aber stand eher die Erfahrung, dass aus Rom zur Verteidigung der römischen Kultur gegen die Germanen kaum mehr Hilfe zu erwarten war. Postumus ging es daher eher um eine Bündelung der regionalen Kräfte in der Notsituation des Gesamtreiches. Der in Rom herrschende Sohn des Valerian, Gallienus, verzichtete denn auch darauf, gegen den Sonderkaiser Front zu machen.
Auch im Osten musste er eine bedenkliche Entwicklung hinnehmen nach dem Untergang der Heere seines Vaters: Hier gelang es Septimius Odaenathus, dem Stadtfürsten von Palmyra, die syrische Grenze gegen die siegreichen Perser zu festigen und sich zum „König“ eines palmyrenischen Reiches zu krönen. Dem Kaiser blieb nur die Flucht nach vorn: Er verlieh Odaenathus den Titel eines „
corrector totius orientis
“, also die Statthalterschaft im ganzen römischen Osten, die dieser und die ihm 267 nachfolgende Witwe Septimia Zenobia im Namen ihres Sohnes Vaballathus bis Ägypten und an die Ägäis ausdehnte. Die hellenistisch gebildete Frau aber war nicht so harmlos wie Postumus, sondern betrieb eine Politik mit antirömischer Spitze und belegte mit der Annahme des Titels „Augusta“ (271), dass sie eigene Wege zu gehen beabsichtigte.
Neuplatonismus
Die Abspaltungstendenzen im Osten waren die gefährlicheren, denn dieser griechisch geprägte Teil des Reiches war kulturell führend. Gerade im 3. Jahrhundert entfaltete das Griechentum noch einmal großen denkerischen Einfluss durch die von Ammonius Sakkas (um 180-um 242) begründete Philosophenschule des Neuplatonismus. Dieser von Plotin (um 205-270) auf den Höhepunkt geführten Lehre ging es nicht so sehr um Fragen der Sittlichkeit im Zusammenleben der Menschen, sondern vor allem um die Seligkeit des Einzelnen, seine Erlösung aus den materiellen Bindungen und Zwängen, um die Befreiung vom Theoretisieren, ja von allen Tugendanstrengungen. Ziel der Lebensführung müsse die Ruhe im Übervernünftigen, Überweltlichen und Übersinnlichen sein. Sie sei nur selten und nur von wenigen im Zustand des ekstatischen Außersichseins wirklich zu erreichen und gipfele in einer Gottesschau, in der Schauender und Geschautes verschmelzen, wie es Platon (427-347 v. Chr.) beschrieben habe
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Zu schwache nationale Kräfte
Ihr Pech war, dass in Rom 270 ein hochenergischer Mann an die Macht gekommen war: Lucius Aurelianus (214-275), kurz Aurelian genannt, dem wir schon als Erbauer der Mauer von Rom begegnet sind. Er zog nach ersten Siegen über germanische Völker in den Osten, nahm 272 Zenobia gefangen und gliederte Palmyra wieder der Provinz Syria an. Dann eilte er nach Gallien, wo seit 269 Tetricus als Nachfolger des Postumus herrschte, und konnte 273 auch diese Gebiete wieder fest mit der Zentralmacht vereinigen. Beide Potentaten führte Aurelian 274 in seinem Triumphzug als „Wiederhersteller der Welt“ (
restitutor orbis
) mit
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