Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
Vom Netzwerk:
geweint. Das war auch der äußerst aufmerksamen Liz Green nicht
entgangen. Die Menschen reagierten alle unterschiedlich, wenn sie in eine
solche Situation gerieten, Liz hatte schon so einiges erlebt. Panik. Schock.
Manche wollten es nicht wahrhaben. Andere waren in ihrer Wut eine Gefahr für
sich selbst und ihre Umwelt. Aber Lily Bonner war irgendwie anders. Sie
strahlte stille Resignation aus, als habe sie den Unfall ihres Mannes
vielleicht nicht gerade erwartet, aber doch irgendwie verdient, ging es Liz
durch den Kopf.
    Sehr seltsam.
    Als Lily mit einem Stapel Zeitungen unterm Arm Liams Zimmer betrat,
sah Liz zu ihr auf und lächelte sie aufmunternd an.
    »Sein Blutdruck ist gestiegen.«
    »Ist das gut?«
    »Allerdings. Und die Schwellung im Kopf hat auch nachgelassen …«
    Mit großen Augen sah Lily Liam an, als müsse sein Körper deutliche
Zeichen von Besserung zeigen. Er sah aber immer noch genauso aus wie vorher.
    »Was bedeutet das?«, fragte Lily, doch die Schwester hatte das
Zimmer bereits verlassen.
    Lily setzte sich neben das Bett und ergriff Liams linke Hand. Sie
drehte sie, fuhr mit dem Finger über seine Handfläche und verschränkte dann
ihre Hand mit seiner. Mit der anderen Hand schlug sie die zuoberst liegende
Zeitung auf.
    Man hatte Lily am zweiten Tag erklärt, dass Komapatienten
höchstwahrscheinlich hören konnten, was um sie herum vor sich ging, dass sie
selbst aber nicht darauf reagieren konnten. Man hatte sie ermutigt, mit Liam zu
sprechen, ihm seine Lieblingsmusik vorzuspielen und ihm vorzulesen.
    In den letzten Tagen ging es in den Boulevardzeitungen
ausschließlich um eine Reihe korrupter Politiker, eine skandalöse Geschichte,
die als die neue Profumo-Affäre gehandelt wurde. Wäre Liam bei Bewusstsein
gewesen, er hätte alles minutiös zu kommentieren gewusst.
    Liam las keine Boulevardzeitungen, aber Lily fiel es leichter,
daraus vorzulesen als aus den großformatigen, seriösen Medien. Das Vorlesen tat
ihr selbst auch gut. Es hatte etwas Tröstliches, dass die Welt sich einfach
weiterdrehte und auch die Menschen alle weitermachten, als wäre nichts gewesen,
während man selbst vor dem Scherbenhaufen seines Lebens und einer ungewissen
Zukunft steht.
    Sie war gerade mitten in einem Bericht über irgendeinen für seinen
lasterhaften Lebenswandel bekannten irischen Schauspieler, dessen in Las Vegas
geschlossene Ehe ganze achtzehn Stunden gehalten hatte, als sie es spürte. Der
Druck seiner Hand war so leicht und kurz wie ein Zittern, aber sie wusste, dass
sie es sich nicht nur eingebildet hatte. Sofort richtete sie den Blick auf
ihren Mann und dann auf die Monitore, doch sie verstand ihre Sprache nicht.
    Lily sprang auf und drückte auf den Schwesternrufknopf. Dabei ließ
sie Liams Hand keine Sekunde los, verzweifelt hielt sie sie umklammert in der
Hoffnung, es noch einmal zu spüren und sich ganz sicher zu sein.

 

    8
    E s war ein
sonniger Tag mit frühlingshaften Temperaturen gewesen. Mit Einbruch der
Dämmerung war es zwar empfindlich abgekühlt, aber das hinderte Lily und Peter
nicht daran, die wunderbar frische Luft in Peters kleinem Hofgarten zu genießen.
Dicke Pullover, ein Heizstrahler und eine Flasche Rotwein sorgten dafür, dass
ihnen nicht kalt wurde. Seit sie vor zwanzig Minuten nach Hause gekommen waren,
hatten sie freundschaftlich schweigend dagesessen. Gemeinsam gaben sie sich der
Abendstille hin und ließen die Sorgen des Tages hinter sich.
    Sie hatten beide einen schlechten Tag gehabt – Lily im Krankenhaus
und Peter auf der Baustelle.
    Wie hatten sie dem Moment entgegengefiebert, wenn Liam endlich
aufwachen würde! Als würde das seine vollständige Genesung bedeuten. Jetzt war
er aufgewacht, und Lily wünschte sich fast, er wäre es nicht. Solange er im
Koma lag, hatte er von seinem Elend wenigstens nichts mitbekommen. Nur sie und
Peter hatten gelitten.
    Die Ärzte waren davon überzeugt, dass er jetzt Fortschritte machen
würde, aber er hatte solche Schmerzen, und Lily konnte es kaum ertragen, ihn so
leiden zu sehen.
    Und Peter hatte es seit dem Unfall generell nicht leicht auf der
Baustelle, denn plötzlich behandelte man ihn anders. Der warmherzige, lockere
Peter war es gewohnt, immer und überall mit offenen Armen empfangen zu werden.
Nun erfuhr er zum ersten Mal im Leben, wie es sich anfühlte, unbeliebt zu sein.
Mit der Penetranz eines in einem Mordfall ermittelnden Inspektor Columbo saß er
dem Unfallsachverständigen im Nacken, denn er wollte, dass seinem

Weitere Kostenlose Bücher