Das Rote Kornfeld
Hundeklauen in sie gescharrt hatten. Nur wer sich auf sein Gedächtnis oder seine Phantasie verließ, konnte die Wege der Hundeherrschaft noch undeutlich ausmachen.
Vater und Großvater gingen jeden zweiten Tag auf die Jagd und erbeuteten jedes Mal nur einen Hund. Das warme nahrhafte Fleisch gab ihnen Kraft und innere Wärme, es sorgte für jene Vitalität und Stärke, die Großvater und Vater ausstrahlten, als es endlich wieder Frühling wurde. Sie nagelten die Hundefelle an die Dorfmauer, und aus der Entfernung sahen sie aus wie dekorative Wandgemälde.
Hauptsächlich dank des Hundefleisches wuchs Vater bis zum Frühling 1940 um zwei Fausthöhen. Es war wohlschmeckend und fett. Die Hunde, die sich von gefrorenen menschlichen Leichen ernährten, waren stark und wohlgenährt, und als Vater einen Winter lang fettes Hundefleisch gegessen hatte, war es, als habe er sich einen Winter lang von Menschenfleisch ernährt. Er wuchs zu einem großen, kräftigen Mann heran, der ohne mit der Wimper zu zucken töten konnte. Ich habe mich oft gefragt, ob das etwas damit zu tun hatte, dass er sich einen Winter lang von Menschenfleisch ernährt hatte.
Natürlich brachten sie gelegentlich ein wenig Abwechslung in ihren Speiseplan, wenn Großvater seinen Sohn zur Wildgansjagd ins Sumpfland mitnahm.
Wenn sich die Sonne hinter dem Berg senkte, machten sie sich auf den Weg. Hinter einem Haufen toter Hirsestengel verborgen, sahen sie der großen elliptischen Sonnenscheibe zu, die wie ein blutiger Pfannkuchen unterging und das eisige Sumpfland blutrot färbte. Hunde- und Menschengerippe, die im Wasser gelegen hatten, waren im Eis eingefroren. Die toten Hunde entblößten ihre Fänge. Die toten Menschen fletschten die Zähne. Vollgefressene Krähen flogen auf rotgoldenen Schwingen zum Dorf, wo sie in den hohen Bäumen nisteten. Grüne Irrlichter tanzten über dem Sumpf. Jahrzehnte später häuften sich an dunstigen Tagen die Irrlichter, aber damals gab es nur wenige, und der Anblick war lieblich.
In ihren Hundepelzen, die sie mit der Fellseite nach außen trugen, sahen Großvater und Vater zu drei Zehnteln wie Menschen, zu sieben Zehnteln wie Hunde aus. Vater biss mit gutem Appetit in seinen mit gesalzenem Hundefleisch gefüllten Hirsekuchen.
Großvater forderte ihn auf, beim Essen nicht so viel Krach zu machen, weil er fürchtete, die niedrig fliegenden Gänse könnten ihn hören. Ihr Gehör, sagte er, sei so scharf, dass sie Geräusche mit dem Wind fünf Kilometer weit und gegen den Wind zwei Kilometer weit hören konnten. Vater, der das nicht glauben wollte, kaute weiter an seinem Hirsekuchen mit Hundefleisch herum, hörte aber wenigstens auf zu schmatzen. Im Sonnenuntergang zog zwischen Himmel und Erde ein zarter Purpurnebel auf, und im Eis spiegelte sich gedämpftes Licht.
Mit lauten Rufen glitt ein Schwarm von mehr als vierzig Wildgänsen durch die Luft. Der trostlose Schrei erinnerte Vater an seine Mutter, meine Großmutter. Die Wildgänse reckten den Hals und streckten die Füße aus, als sie über die Wasserfläche huschten. Wenn ihre Schwanzfedern zischend das Eis berührten, verstummte ihr Ruf. Mit angehaltenem Atem sahen Großvater und Vater zu, wie erst eine Gans und dann in ihrem Gefolge auch die anderen landeten. Nicht mehr als zehn Schritt von der Stelle entfernt, wo Großvater und Vater versteckt lagen, bewegten sie sich ungeschickt über das Eis. Wie immer bezog ein Vogel, der Wächter, in einiger Entfernung von der Schar seine einsame Stellung. Der trübe Himmel nahm die Farbe einer Orangenschale an, wurde allmählich dunkelgrau, schließlich schwarz. Die sieben oder acht Sterne, die am Nachthimmel funkelten, spiegelten sich nicht mehr im Eis, und die Gänseschar verschwamm zu einem großen, nur undeutlich auszumachenden Schatten.
Als Großvater einen brennenden Hirsestengel aus einem Eisenrohr zog, stieß der Wachvogel seinen Warnruf aus und weckte die schlafenden Vögel, die ängstlich in die Luft aufstiegen. Das war es nicht, was die Jäger planten. Die Legende geht so: Der Jäger zündet ein Räucherstäbchen an, der Wächter weckt die anderen Gänse, die sich rasch umsehen, feststellen, dass alles in Ordnung ist, und wieder einschlafen. Wenn dies Ritual dreimal abgelaufen ist, glauben die anderen Gänse, der Wächter gäbe falschen Alarm, und rotten sich gegen ihn zusammen. In der allgemeinen Verwirrung, die dann entsteht, stürzt sich der Jäger auf die Gänse und fängt ein paar von ihnen ein, bevor sie
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