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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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aufwickelte, fand sie einen kleinen rosa Jungen und einen Zettel: «Der Vater war achtzehn, die Mutter war siebzehn. Der Mond stand im Zenit, und das Dreigestirn stand im Westen, als unser Sohn Luxi zur Welt kam. Vater war schon mit der zweiten Schwester Zhang, einem Mädchen mit ungebundenen Füßen aus dem Westdorf, verheiratet, und Mutter wird Ba Yanzi aus dem Ostdorf heiraten. Unser Kind zu verlassen bricht uns das Herz. Tränen fließen über Vaters Kinn, Zähren fallen über Mutters Wangen, aber wir unterdrücken die Klagen, und keiner wird uns hören. Luxi, Luxi, du unsere Freude am Wegrand, wer wird dich finden, wer werden deine Eltern sein? Wir haben dich in Seide gewickelt und dir zwanzig Silberdollar mitgegeben. Wir bitten den freundlichen Reisenden, der dich findet, Verdienst zu erwerben, indem er das Leben unseres Sohnes rettet.»»
    Es hieß, Qian’er habe die Seide und das Geld genommen und das Kind im Hirsefeld gelassen. Dafür sei der Blitzschlag die Strafe des Himmels gewesen. Qian’er war Großmutters beste Freundin gewesen, und so hatte sie den Gerüchten natürlich keinen Glauben geschenkt. Aber als sie über die tragischen Verwicklungen des Lebens nachdachte, überfielen Trauer und Verzweiflung ihr Herz.
    Die Straße war regennass, reingewaschen und von Tropfen gemustert. Weicher, ölig glänzender Schlamm füllte die Pfützen. Wieder prägte der Esel dem Boden seine Hufspuren ein. Die feuchten Blumen im Feld schienen gealtert, und Grillen versteckten sich im Gras und unter der Hirse. Ihre langen seidigen Bärte zitterten, und das Sägen der durchsichtigen Flügel erklang als melancholisches Lied. Der lange Sommer neigte sich seinem Ende zu, und in der Luft lag Herbstgeruch. Heuschreckenschwärme, die den Jahreszeitenwechsel ahnten, schleppten sich mit vollgefressenen Bäuchen aus den Hirsefeldern auf die Straße und bohrten den Hinterleib in den Boden, um ihre Eier abzulegen.
    Urgroßvater brach eine Hirsestaude und peitschte auf den Rumpf des erschöpften Esels ein. Der schoss mit eingezogenem Schwanz ein paar Schritt voran, doch dann verfiel er wieder in seinen gleichmäßigen Trott. Fröhlich gelaunt sang Urgroßvater, der hinter dem Esel herging, selbsterfundene Texte zu Volksmelodien aus Nordost-Gaomi. «Wu Dalang trank das Gift, ach wie war ihm schlecht... Sieben Eingeweide bebten, achtfach zitterten seine Lungen ... Der Hässliche nahm die Schöne zum Weib, wie schlecht bekam ihm das ... Ach, wie schmerzt der Magen ihm ... sein zweiter Bruder ist’s, der nun den Auftrag hat ... Ach Bruder, komm und räche mich ...»
    Großmutter lauschte Urgroßvaters wirrem Lied, und das Herz schlug ihr in der Brust, als solle jeder es hören. Das Bild des jungen Mannes mit der finsteren Miene und dem gezückten Schwert stieg vor ihren Augen auf, so wie sie ihn vor drei Tagen gesehen hatte. Wer war er? Was hatte er vor? Eine Ahnung überfiel sie, dass sie und der tapfere Jüngling einander so nahestanden wie Fische, die im gleichen Teich schwimmen, auch wenn sie einander gar nicht kannten. Das eine Mal, dass sie einander gesehen hatten, war blitzschnell wie im Traum vergangen, und doch war es kein Traum, es war wirklich und war doch nicht wahr. Geister aus dem Jenseits hatten sie in ihrer tiefen Erregung umschwebt. Gib dich mit deinem Schicksal zufrieden, sagte sie zu sich selbst und seufzte tief.
    Großmutter ließ dem Esel seinen Willen und lauschte der wirren Version des Liedes von Wu Dalang, die ihr Vater sang. Ein Windstoß, ein Feuerschein, und schon waren sie am Krötenloch. Der Esel nickte mit dem Kopf und blieb mit zusammengekniffenen Nüstern stocksteif stehen. Urgroßvater schlug ihn mit der Hirsegerte auf Rumpf und Beine. «Beweg dich, blödes Vieh! Beweg dich, Biest von einem Esel!» Pfeifend traf die Gerte den Esel, aber der lief nicht weiter, sondern begann rückwärts zu gehen.
    Ein grauenhafter Gestank drang in Großmutters Nase. Schnell stieg sie ab, hielt sich den Ärmel vor die Nase und versuchte, den Esel am Zügel weiterzuzerren. Der hob den Kopf und blickte mit offenem Maul und tränenden Augen um sich. «Esel», sagte sie, «nimm dich zusammen und geh weiter. Es gibt keinen Berg, den man nicht besteigen kann, keinen Fluss, den man nicht überqueren kann.» Von ihren Worten bewegt, hob der Esel den Kopf und schrie laut. Dann galoppierte er voran und zerrte Großmutter so schnell hinter sich her, dass ihre Füße kaum den Boden berührten und ihre Kleider im Wind flatterten wie

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