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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Selbstbezogenheit lebt, dass sie das Fehlen gar nicht bemerkt hat. Offenbar hat Lisa die ganze Zeit darauf gelauert, dass ihre Mutter endlich in die Luft geht.
    Dann hat sie die Geduld verloren, ist hingegangen und hat Valerie die leere Stelle gezeigt. Scheint irgendeine Form von Protest zu sein. Jetzt kriegt Lisa jede Menge Aufmerksamkeit und Valerie ebenso, die mich zum Lunch mit ihr nötigt. Dann legt sie los.« Henry genoss es sichtlich, ihren spröden Akzent nachzuahmen, der dem einer Radiosprecherin um 1960 glich. »>Herrgott nochmal, Henry, gehen wir so mit Meisterwerken der Kunst um? Ist das unsere Einstellung zur Kultur? Ich sitze im Vorstand der Ta te Modern! Man hat mich um meine Mitarbeit beim Hay Festival gebeten! Ich versuche, alle möglichen scheiß Kunstwerke für unsere Nation zu retten, und unsere eigene Tochter tut so etwas! Wenn das in die Zeitungen kommt, stehen wir da wie Idioten. < Und so weiter und so fort. Glaubst du, ich bekomme ein Wort dazwi schen?«
    »Was will sie denn von dir?«
    Er beugte sich zu mir hin: »Valerie hat da so eine Idee. Schrei bloß nicht auf - denn du spielst darin auch eine Rolle.«
    Ich wusste, dass Henry seine Probleme vernünftigerweise gern auf andere ablud, um nicht über unangenehme Themen nachdenken zu müssen. Was Valerie betraf, so war dies ein guter Kompromiss, denn es gab viele Gelegenheiten, bei denen er sie brauchte.
    Er sagte: »Du weißt, dass sie dich achtet, Mann.«
    »Sie hält mich für einen Arsch und Hochstapler. In sozialer Hinsicht habe ich gar keinen Kredit mehr. Die letzte gute Kritik - ja, überhaupt irgendeine Kritik -, die ich bekommen habe, ist eine Ewigkeit her.«
    »Du willst dich doch nur herausreden. Warum veröffentlichst du nicht einfach etwas?« »Warum nicht du?«
    Er fuhr fort: »Im Augenblick stehst du bei Valerie hoch im Kurs, weil Lisa auf dich hört. Meine Tochter ist ganz vernarrt in deine Bücher und unterstreicht aus irgendeinem Grund fast jedes Wort darin. Sie weiß, was >Abreaktion< und >Besetzung< bedeutet. Ich will dich gar nicht um einen Gefallen bitten, sondern sage nur, dass dieses Miststück ein Loft in New York besitzt, wo du wohnen könntest. Denk an das West Village, bevor du ablehnst. Du hältst dich dort doch so gern in den kleinen Buchläden und Cafes auf.«
    »Ich soll mich der geistigen Gesundheit eurer Tochter annehmen und im Gegenzug freies Logis in New York bekommen?«
    »Bin ich der Einzige, der Probleme mit Frauen hat? Ich habe dich in der Suhle im Auge behalten.«
    »Du hast gesehen, wie ich meine Ex beobachtet habe. Was hast du dir dabei gedacht?«
    »Ich habe mich gefragt, was ein solcher Anblick in deinem Köpfchen auslöst«, antwortete er. »Und ich kann nur hoffen, dass du dich mit Ajita getroffen hast.«
    Ich erzählte Henry, dass ich bei meinem letzten Besuch bei Rafi in der Küche Josephines Haar gestreichelt hatte. Nicht nur, weil ich es gewollt oder weil sie Kopfschmerzen gehabt hatte, sondern weil ich den Leberfleck finden wollte, den ich in der Suhle gesehen hatte. Dann wurde mir klar, dass ich auf der falschen Seite ihres Nackens nachgeschaut hatte. War sie es wirklich gewesen? War ich es wirklich gewesen?
    Henry berührte meine Hand. »Alter Knabe, ich weiß, dass Lisa ein Quälgeist ist, aber bitte tu für meine Tochter, was du kannst. Falls ich die Zeichnung nicht wiederbekomme oder falls sie beschädigt ist, wird mir die Hölle heiß gemacht.«
    Bald nachdem ich mich von Henry verabschiedet hatte - der in der Bar bleiben, Zeitung lesen und die Flasche austrinken wollte -, rief mich Valerie an.
    Sie wollte mich unbedingt zum Dinner einladen, vor allem aber über Lisa und den ominösen Ingwer reden. Eine Weile konnte ich ihr Gerede zwar ertragen, doch die Einladung zur Party - eine erlesene Schar amerikanischer Filmagenten war auserwählt worden - lehnte ich ab, weil ich argwöhnte, dass sie die Gelegenheit nur benutzen wollte, um mich in eines ihrer kleinen Zimmer zu bugsieren und weiter mit dem Problem Lisa zuzutexten.
    Nun sagte sie zu mir: »Bei Lisa gibt es natürlich keinen Grund, in der Vergangenheit zu wühlen, wie du es sonst immer tust. Für diesen Unsinn ist die Zeit zu knapp. Es ist ein Notfall, denn sie entgleitet uns und rutscht allmählich in den Irrsinn ab.«
    Ich sagte zu Valerie, dass ich ihre Bitte, Lisa zu helfen - bei was zu helfen? -, erwägen würde, fügte jedoch hinzu, dass ich wahrscheinlich nicht viel ausrichten könne. Ich wusste natürlich, dass ein Nein in

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