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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Carla gehört, daß Ludovico, einer der Helden von St. Michael, im Hospital zusammengebrochen war. Seine Kameraden hatten einen Blick auf die Schreckensgestalten geworfen, die hier zusammengepfercht waren, und ihn eine Tür weiter in ihre eigene kleine Krankenstation bei der Herberge von Italien gebracht. Carla hatte ihn damals nicht gesehen, und doch spukte Ludovicos Gegenwart ihr durch den Kopf. Er spukte vielen durch den Kopf.
    »Hier auf Malta ist die Inquisition nicht willkommen«, sagte Bors, der die Sache gründlich überdacht hatte.
    Sie saßen am Tisch des Refektoriums, während Bors sich durch ein Tablett mit Vanilletörtchen fraß. Woher die Eier und der Zucker dafür gekommen waren, wußte nur er allein. Dank seiner Spürnase für Beute und seinem Geschick als Händler, die den Kochkünsten von Nicodemus in nichts nachstanden, genoß er den zweifelhaften Ruf, als einziger auf der Insel während der Belagerung zugenommen zu haben.
    »Ist die Inquisition irgendwo willkommen?« fragte Carla.
    Bors schnaubte. »Irgend jemand profitiert immer vom Bösen. Warum würde es sonst blühen und gedeihen?« Die Narbe, die seine sonnengebräunten Gesichtszüge in zwei Teile schnitt, schimmerte rosafarben. »In Messina hat die Inquisition Tausende von Helfern – zwar nur eine Handvoll offizieller Kirchenleute, aber ein ganzes Heer von Kriechern, Speichelleckern und Blutsaugern unterstützen sie. Barone und Diebe, Händler und Priester – wie sie gern behaupten: alle Reichen, die gesamte Polizei und alle Verbrecher. Die haben ihre Finger in allem und machen, was sie wollen. Zumindest mit denen, die es sich von ihnen gefallen lassen.«
    Er lächelte über irgendeine angenehme Erinnerung, und Carla dachte an den Priester in der Kutsche und an seinen Tod.
    »Der Orden hätte die Inquisition niemals nach Malta gelassen, wenn der Papst nicht so hinterlistig gewesen wäre«, fuhr Bors fort. »Er hat Antonio Cubelles zum Generalinquisitor ernannt, und da er bereits Bischof von Malta war, konnten ihm die Ritter schlecht das Messer an die Kehle setzen. Der Orden hat auch seine üblen Schurken. Wie könnte es auch anders sein, bei einer solchen Ansammlung von Mordgesellen? Vergewaltigung, Sodomie, Morde, schwarze Magie, Ketzerei – das alles hat es hier schon gegeben. Aber der Orden hat seine eigenen Angelegenheiten immer selbst geregelt. Der Bischof hat sich sehr ungeschickt angestellt, als er sie konfrontiert hat – mit ein paar halbherzigen Denunziationen der Ritter der französischen Zunge, die man bezichtigte, mit der Ketzerei zu sympathisieren, aber ohne Verhaftungen. Die Inquisition funktioniert nur, wenn sie Leute in allen Schichten hat, aber der Bischof hockt ja immer nur in seinem Palast. Doch die Inquisition hatte damit einen Fuß in der Tür. Und dann hat der Papst vor sechs Monaten Ludovico geschickt.«
    In Carlas Erinnerung war Ludovico ein junger, sanftmütiger Mann, ein glänzender Gelehrter, von geistigem Eifer beseelt. Noch immer konnte sie diese Vorstellung nicht mit dem Mann vereinbaren, der den Menschen solche Furcht einflößte.
    »Ist er wirklich ein solcher Schurke?« fragte sie.
    Bors führte ein weiteres Törtchen zum Mund und grunzte genüßlich, ehe er sich mit dem Handrücken über die Lippen wischte.
    »Ludovico ist die finstere Hand des Papstes. Er hat schon Kardinäle und Grafen in den Flammentod geschickt.« Der Engländer betrachtete sie, als erwartete er von ihr eine Bestätigung seiner eigenen Meinung, daß dies ein angemessenes Schicksal für Kardinäle und Grafen sei. »Guzmán, einer der Tercios hier, hat 1561 in Kalabrien gedient – auf dem Feldzug des Großinquisitors Ghislieri zur Ausrottung der Waldenser in den Hochtälern. Er erinnert sich gut an Pater Ludovico. Um den Eifer eines örtlichen Markgrafenetwas zu erhöhen, besorgte Ludovico für dessen Bruder einen Kardinalshut. Dann rotteten sie das Dorf San Sisto aus, jagten die Entkommenen durch die Wälder, mit Bluthunden, die man eigens ausgehungert hatte. Insgesamt zweitausend Menschen, sagt man. In La Guardia haben sie siebzig Leuten durch die Folter Geständnisse abgerungen, dann die Überlebenden mit Pech bestrichen und auf einer steilen Klippe angezündet, und sie haben noch Wetten abgeschlossen, wie viele in den Abgrund springen würden und in welcher Reihenfolge. In Montalto haben sie achtundachtzig Gläubige in der Pfarrkirche zusammengepfercht, sie dann einen nach dem anderen herausgerufen und ihnen auf den Stufen der

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