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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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kurz nach Melvilles Wahl zum Gildemeister wissen lassen.
    »Niemand kann uns verbieten, einen Schwurbruder vor der Willkür der Obrigkeit zu schützen, solange wir dabei das Gesetz achten«, erwiderte Duval. »Viel wichtiger ist, dass wir bei allem, was wir tun, de Guillory immer einen Schritt voraus sind. Er darf auf keinen Fall erfahren, was wir planen.«
    Melville verstand den Hinweis. »Natürlich. Alles, was wir in diesem Saal bereden, ist vertraulich.« Sein Blick streifte Nemours, Baffour und d’Alsace. »Wer auch nur ein Wort davon de Guillory oder dem Schöffenkollegium zuträgt, bricht seinen Gildeneid und verwirkt unsere Freundschaft.«
    Falls sich die drei Männer angesprochen fühlten, so zeigten sie es nicht. Nemours zog es vor, just in diesem Moment einen tiefen Schluck aus seinem Kelch zu trinken.
    Melville blickte in die Runde. »Also – wie gehen wir vor?«
    Eustache Deforest, ein zurückhaltender, aber kluger Zeitgenosse, räusperte sich. »Ich hätte da einen Vorschlag. Eigentlich sogar zwei …«
    B URG G UILLORY
    A ristide de Guillory langweilte sich.
    Er saß im Fenster seines Palas’, einen Fuß auf dem Boden, den anderen auf dem breiten Sims, nagte an einem Hähnchenschlegel und spuckte ein Stück Knorpel in den Hof. Es nieselte. Kein gutes Wetter, um auszureiten oder auf die Jagd zu gehen. Außerdem tat ihm höllisch der Arm weh, seit ihm Berengar gestern bei ihren Waffenübungen einen Hieb gegen den Ellbogen versetzt hatte. Früher hätte er einen Treffer wie diesen mühelos weggesteckt, aber er war keine zwanzig mehr. Unaufhaltsam näherte er sich dem sechsunddreißigsten Jahr seines Lebens, und diese Erkenntnis trug nicht dazu bei, seine üble Laune zu lindern.
    Noch ein Knorpelstück flog in den Hof und landete im Heuhaufen neben dem Treppenaufgang.
    Er wollte es zu etwas bringen – Land, Macht, ein einträglicher Titel –, doch mit jedem Jahr, das verstrich, wurden seine Aussichten schlechter. Er saß hier fest, als Herr über ein paar Bauerndörfer und ein dreckiges Provinznest, und schuld daran war sein Schwager. Ferry II. verhinderte seit Jahren, dass er vorankam. Aristide wusste nicht, wie er es anstellte, aber er hatte zweifellos Erfolg. Wenn Aristide sich wegen seiner Verdienste für das Haus Châtenois Hoffnungen auf einen neuen Gerichtssprengel machte, konnte er sicher sein, dass Herzog Simon kurzfristig seine Meinung änderte und das Lehen einem anderen Vasallen gab. In den letzten zwei Jahren waren ihm deswegen eine lukrative Mühle und eine Zollschranke an der Grenze zur Grafschaft Vaudémont entgangen. Natürlich konnte er nie beweisen, dass Ferry seine Hände im Spiel gehabt hatte – sein Schwager ging stets sehr geschickt vor. Aber Beweise waren auch gar nicht nötig: Ferry hatte schließlich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass, solange er lebe, Aristide niemals in Oberlothringen aufsteigen werde.
    Am schlimmsten war, dass er zur Tatenlosigkeit verdammt war. Wäre Ferry ein gewöhnlicher Ritter, hätte er ihm längst die Fehde erklärt. Aber Ferry war nun einmal ein Châtenois, und wer einem Châtenois heute den Kampf ansagte, hatte morgen das halbe Herzogtum gegen sich. Also blieb Aristide nichts anderes übrig, als zu warten – zu warten, bis sich ihm eines Tages die Gelegenheit böte, zu seinem Recht zu kommen.
    Leider war Geduld nicht seine Stärke.
    Er warf den abgenagten Hähnchenschlegel aus dem Fenster und rieb seinen schmerzenden Ellbogen. Schluss mit den trübsinnigen Gedanken – sie machten einen Mann auf Dauer schwach. Aristide beschloss, ein wenig Zerstreuung zu suchen und die Zeit totzuschlagen. Mehr war mit diesem Tag ohnehin nicht anzufangen.
    »Du – komm her«, befahl er einem Diener, der in der Ecke des Saales frische Binsen ausstreute.
    Der Mann stellte den Korb ab und eilte zu ihm. Aristide wusste nicht, wie er hieß. Der Lakai gehörte zu den Dienern, die Yolande damals als Ersatz für seine Mägde eingestellt hatte, und er hatte sich nie die Mühe gemacht, ihre Namen zu behalten.
    »Ihr wünscht?«
    »Wie heißt du?«
    »Guy, Herr.«
    »Hol das Tric Trac aus der Truhe neben dem Kamin, Guy. Du wirst mit mir spielen.«
    Der Mann zögerte. »Ich muss gestehen, Herr, dass ich nicht sehr gut in diesem Spiel bin.«
    »Aber die Regeln kennst du, oder? Jeder Dorftrottel kennt Tric Trac .«
    »Gewiss kenne ich sie.«
    »Na also. Nun hol schon das verdammte Spiel.«
    Kurz darauf saß Guy mit ihm in der Fensternische und baute die Steine neben dem

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