Das Salz der Mörder
und sprich mit ihm. Er darf mich, wenn er unbedingt
will, ambulant weiter behandeln oder mich am Arsch lecken. Freddy, ich muss
hier raus. Wir müssen sofort zu dieser Goldmine fahren und uns die Sache mit
eigenen Augen anschauen. Na mach schon, geh jetzt. Komm danach noch mal vorbei
und sag mir Bescheid, was dir der Webster erzählt hat. Wir nehmen morgen Früh
den ersten Bus. Das wird unsere ganz persönliche ‚Magical Mystery Tour‘:
satisfaction guaranteed, Beatle Fred. Das verspreche ich dir.“
„Meinetwegen.
Ich werde sehen, was ich vom Doc erfahren kann. Erwiesenermaßen haben ja die
Ärzte immer das letzte Wort, nicht die Patienten. Doktor Webster entscheidet,
wie deine weitere Behandlung zu erfolgen hat, nicht du. Hast du dich eigentlich
bei ihm und der Krankenschwester wegen deiner tollen Aktion entschuldigt?“
„Ja,
ja, natürlich, was glaubst du denn. Ist mir ja selber peinlich, obwohl ich
nicht mehr viel davon weiß.“
„Na,
hoffentlich hat das der Doktor auch akzeptiert, sonst sehe ich nämlich schwarz
für deine Entlassung und deine morgige ‚Magical Mystery Tour‘.“
Auf
dem Korridor traf ich zufällig Schwester Florence. Sie erkannte mich sofort
wieder und zeigte mir wo sich Dr. Websters Büro befindet, da ich so tat, als
wüsste ich es nicht. Ich fragte sie, wie es ihr ginge und so weiter. Nach ein
paar liebenswürdigen Worten und einem freundlichen Augenzwinkern, verabredeten
wir uns für heute Abend. Sie wollte mir Accra bei Nacht zeigen. Treffpunkt
sollte am „Danquah Circle“ in Osu sein, der Stadtteil Accras, wo die meisten
Ausländer verkehren und es die teuersten Nachtclubs gibt. Hm, sehr interessant,
dachte ich, aber . . . Ich müsste David um Geld anpumpen, wenn ich mir diese
spezielle Stadtbesichtigung nicht entgehen lassen wollte.
Dann
klopfte ich an die Tür des Doktors. Mit gemischten Gefühlen drückte ich die
Klinke herunter.
„Mister
Wegner, schön, dass Sie gekommen sind. Bitte nehmen Sie doch Platz.“
„Danke.
Doktor Webster, ich würde gern . . .“
„Ja,
ich weiß. Nun . . ., ich untersuchte Ihren Freund, und sage es Ihnen offen und
ehrlich: Es sieht nicht gut aus. Glauben Sie mir, es sieht nicht gut aus. Alle
Symptome deuten auf einen Gehirntumor hin. Ich exzidierte, also ich entnahm
Gewebeproben, die ich zur Analyse nach London schicken muss. Leider gibt es in
Ghana noch keine Möglichkeit zu einer präzisen Diagnostik auf diesem Gebiet. Es
wird schätzungsweise einen Monat dauern, bis mir die Untersuchungsergebnisse
vorliegen werden. Es geht darum: Ist die Geschwulst gutartig oder bösartig? Ein
anderes Problem ist die Lage des Tumors. Wenn sich ein Tumor bildet - manchmal
dauert es Jahre, bevor der Patient überhaupt merkt, dass irgendwas nicht in
Ordnung ist - vergrößert sich dieser Tumor langsam und kann im Kopf wichtige
Nervenstränge lahm legen. Ganz vereinfacht gesagt, ein schwerer Stein liegt auf
einem dünnen Gummischlauch und quetscht die benötigte Zufuhr an Wasser, das für
die erforderliche Funktion des Rasensprengers unerlässlich ist, ab. Das könnte
bedeuten, dass Mister Smiley in Zukunft öfters mit solchen Ausfallerscheinungen
zu rechnen hat. Mit eben solchen Erscheinungen, wie Sie sie selbst kürzlich bei
ihm beobachtet haben. Sein ganzer Körper ist mit Narben bedeckt. Wussten Sie,
dass er keine Fußnägel mehr hat? Sieht verdammt nach Folter aus. Ist äußerst
schmerzhaft, aber nicht so schlimm. Schlimmer ist - ich ließ sein rechtes Bein
noch einmal röntgen -, dass er unausweichlich eine Thrombose bekommen wird. Und
die kann früher oder später zur Amputation und im äußersten Fall zum Tode
führen, wenn Ihr Freund nicht bereit ist, sich in einem vernünftigen
europäischen Krankenhaus behandeln zu lassen. Sein Bein ist mindestens zehnmal
gebrochen, soweit ich das erkennen konnte. Ich verstehe nicht, wie man ihn in
diesem Zustand aus einem Krankenbett gelassen hat. Sprechen Sie mit Mister
Smiley. Sagen Sie ihm, wenn er sich nicht sofort in fachmännische Behandlung
begibt, wird er - abgesehen davon, ob es sich um ein Fibrom oder möglicherweise
Malignom in seinem Kopf handelt - spätestens in einem Jahr unter der Erde
liegen. Wir hier in Ghana sind nicht in der Lage sein Leben zu verlängern. Dazu
fehlen uns im Augenblick sämtliche Voraussetzungen.“
Fassungslos
hörte ich mir das alles an. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich wusste nicht,
was ich darauf erwidern sollte.
66. Veronikas
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