Das Salz der Mörder
Befreiung. Ich
musste mich beherrschen, musste mich bezwingen, stillhalten, den Zorn
unterdrücken . . .
„Maria,
du hast mir meine Frage von vorhin noch nicht ausführlich beantwortet.“
„Was
hast du mich denn vorhin gefragt?“
„Ich
habe gefragt, wer eure wohlschmeckenden Brötchen backt.“ Plötzlich und
gleichzeitig öffneten zwei der femininen Leibwächter, eine links und eine
rechts von uns, ihre Mäntel. Anstatt Pistolen, die ich erwartete, holte jede
einen Fotoapparat hervor. Entfernung 12 m, Blende 11, Schärfentiefe etwa von 5
m bis unendlich. Scharfe Schüsse aus Teleobjektiven. Das schnelle Surren der
motorgetriebenen, lichtempfindlichen Schnellfeuergewehre beunruhigte mich nicht
sonderlich. Aus diesen Apparaten schossen keine Geschosse heraus - dort sollten
Geschosse hinein. Was mich beunruhigte: Was waren wir für Geschosse? Gaby,
Maria und ich? Wahrscheinlich stellten wir eine geballte Ladung an
Informationen dar. Doch für wen? Wer ist das Ziel? Was wollte Frau Doktor mit
diesen Fotos? Immer noch surrten die Hochleistungskameras. Das war die
Gelegenheit. Durch diese kurze Ablenkung konnte ich meinen Plan vielleicht zum
Teil in die Tat umsetzen, denn dies war die einzige Chance mit Maria ohne
Abhöranlage zu reden. Ich hob Gaby behutsam vom Felsbrocken herunter. Dann,
blitzschnell, griff ich Maria in die Bluse, suchte an ihren Brüsten, fand das
Mikrofon und riss das Kabel heraus. Sendeschluss. Es tut mir schrecklich leid,
liebe Frau Doktor Hansen, aus technischen Gründen ist zurzeit eine Übertragung
ihres perversen Vormittagsprogramms nicht mehr möglich.
„Maria,
willst du mit mir fliehen?“ Sie sah mich an. Die Antwort! Gib mir eine Antwort,
dachte ich. Leben oder Tod, dachte ich. Die Antwort, deine Antwort, Maria,
schnell! Sie sah mich an und reagierte nicht.
„Maria,
willst du mit mir fliehen?“ wiederholte ich aufgeregt.
„Ja“,
hauchte sie.
Es
dauert keine zehn Sekunden und ich war wieder in Handschellen, mit der Kapuze
über meinem Kopf. Ich konnte Gaby nicht mehr sehen. Die glorreichen Zehn
führten mich ab . . .
Ich
lag den ganzen Tag auf dem Bett in meiner Unterkunft, wie man mein Gefängnis
seit kurzem so vornehm bezeichnete. Es wurde Abend. Ich stellte mir die gleiche
Frage wie gestern: Würden sie Maria nach dem heutigen Vorfall noch einmal zu
mir lassen? Hatten die irgendwas gemerkt? Es kam anders.
Die
Schleuse summte leise. Meine Tür ging auf. Maria schob einen Rollstuhl herein.
In dem Rollstuhl saß Peter Lutze - dieser junge, schwule Unternehmensberater
aus Bremen. Man hatte seinen Mund mit einem dieser Klebestreifen zum Schweigen
gebracht. Ich sah seine geröteten Augen, ich hörte seine stummen Tränen und zu
meiner Erschütterung bemerkte ich noch etwas Anderes: Sie hatten ihm das linke
Bein bis zum Knie amputiert. Jetzt wusste ich, dass er keiner von der
Hansen-Clique war. Mich schmerzte sein hasserfüllter Blick, den er auf mich
richtete, als wolle er sagen: Du bist schuld an meinem Unglück, denn bei dir
ist nichts abgeschnitten worden, da ist noch alles dran. Und irgendwie fühlte
ich mich verantwortlich. Doch warum fühlte ich mich so? Was hätte ich tun, wie
hätte ich ihm helfen können? Weshalb sah er mich nur so an? Ich hielt das nicht
mehr aus. Ich war nicht imstande, ihm in die Augen zu sehen.
„Maria,
kann ich bitte ein wenig Schreibpapier bekommen? Ich möchte Frau Doktor Hansen
gern eine Nachricht zukommen lassen.“
30. Drei bunte Bilder
Der
Urlaub ging zu Ende. Die Ferien im Freistaat Bayern auch. München färbte sich
bereits herbstlich. Daniel hatte seine Lehre als Koch im renommierten Hotel
„Bayrischer Hof“ zu beginnen und Veronika Wegner war wieder mit dem
alltäglichen Alltag beschäftigt.
Alle
Informationen über die Ermittlungen, die gegen oder für ihren Ex-Mann Manfred
Wegner geführt wurden, landeten unweigerlich auf dem Schreibtisch von Dr.
Feldmann, Veronikas Rechtsanwalt.
„Bitte,
sprechen Sie nach dem Piepton.“ „Grüß Gott, Frau Wegner, Feldmann hier. Würden
Sie bitte so gut sein und mich, wenn es Ihnen zeitlich genehm ist, morgen Abend
gegen achtzehn Uhr in meiner Kanzlei aufsuchen? Wir haben neue Erkenntnisse.
Auf Wiederhören.“
Am
nächsten Abend.
„Frau
Wegner, von unserem gemeinsamen Freund, Oberinspektor Petersen, erhielt ich
gestern die Kopien von drei Farbfotografien, die aus den Redaktionsräumen der
Itzehoer Nachrichten beschlagnahmt worden sind. Ich möchte Sie nicht zu sehr
aufregen, doch
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