Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe

Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe

Titel: Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
graben lassen.
    Der Hauptmann, der Scarletts Kompanie befehligte, mochte den Leutnant nicht sehr, weil sich dieser zwar sehr gut darauf verstand, Befehle zu erteilen, hingegen keine besondere Fähigkeit an den Tag legte, selbst Befehle auszuführen. Außerdem war Scarlett nicht gerade begeistert davon, daß man ihn von einer Reservedivision an die Front versetzt hatte. Und der Kompanieführer nahm es seinem Leutnant übel, daß ihn während ihres ganzen Reserveeinsatzes – dem größten Teil ihres Aufenthalts in Frankreich – eine große Zahl höherer Offiziere aufgesucht hatte, die alle nur zu erpicht darauf waren, sich mit ihm fotografieren zu lassen. Der Hauptmann hatte das Gefühl, daß sein Leutnant sich königlich amüsierte.
    An diesem Novembermorgen bereitete es ihm großes Vergnügen, ihn auf Spähtrupp zu schicken. »Scarlett! Nehmen Sie sich vier Männer, und erkunden Sie die feindlichen Positionen. «
    »Sie sind verrückt«, sagte Scarlett iakonisch. »Welche Positionen? Die hauen doch ab, so schnell sie können.«
    »Haben Sie mich verstanden?«
    »Mir ist egal, was Sie gesagt haben. Ein Spähtrupp hat keinen Sinn.«
    Einige Soldaten saßen in den Gräben und beobachteten die zwei Offiziere.
    »Was ist denn los, Leutnant? Zu wenig Fotografen? Keine Landklub-Colonels, die Ihnen auf die Schulter klopfen können? Nehmen Sie sich vier Männer, und sehen Sie zu, daß Sie verschwinden. «
    »Sie können mich mal, Hauptmann!«
    »Verweigern Sie Ihrem vorgesetzten Offizier vor dem Feind den Gehorsam?«

    Ulster Stewart musterte den kleineren Mann verächtlich. »Ich verweigere nicht den Gehorsam. Ich übe nur Insubordination. Ich beleidige Sie, wenn Sie das besser verstehen. Ich beleidige Sie, weil ich glaube, daß Sie dumm sind.«
    Der Hauptmann griff nach seiner Pistolentasche, aber Scarletts Hand packte blitzschnell das Handgelenk seines Vorgesetzten.
    »Wegen Insubordination erschießt man keine Leute, Hauptmann. Das steht nicht in den Vorschriften. Ich habe eine bessere Idee. Warum vier gute Männer vergeuden...« Er drehte sich um und musterte die Soldaten, die sie beobachteten. »Wenn nicht vier von euch Kandidaten für Kugeln dieser Krauts sein wollen, dann gehe ich selbst.«
    Der Hauptmann war sprachlos. Er wußte keine Antwort.
    Die Männer waren ähnlich verblüfft und dankbar. Scarlett ließ den Arm des Hauptmanns los.
    »Ich bin in einer halben Stunde wieder hier. Wenn nicht, würde ich vorschlagen, daß Sie auf Verstärkung warten. Wir sind den anderen ein gutes Stück voraus.«
    Scarlett überprüfte das Magazin seiner Pistole, kroch dann schnell um den Hauptmann herum zur Westflanke und verschwand in dem mit hohem Gras bedeckten Feld.
    Die Männer murmelten halblaut vor sich hin. Sie hatten diesen überheblichen Leutnant mit all seinen aufgeblasenen Freunden falsch eingeschätzt. Der Hauptmann fluchte und hoffte insgeheim, daß sein Leutnant nicht zurückkehren würde.
    Und genau das war es, was Ulster Scarlett im Sinn hatte.
    Sein Plan war einfach. Er hatte zweihundert Meter vor dem Gehölz eine Gruppe großer Felsbrocken entdeckt, die von Bäumen im Herbstlaub umgeben waren. Es war eine der Stellen, wo es den Bauern zuviel Mühe bereitet hätte, die Felsen auszugraben. Deshalb hatten sie die Felder um sie herum angelegt. Da war zu wenig Platz, als daß sich eine Gruppe hätte verstecken können, aber ausreichend für ein oder zwei einzelne Personen. Dorthin würde er sich jetzt schleichen.
    Während er durch das Feld kroch, stieß er auf eine Anzahl
toter Infanteristen. Die Leichen übten eine seltsame Wirkung auf ihn aus. Er ertappte sich dabei, wie er ihnen ihre persönlichen Habseligkeiten abnahm – Armbanduhren, Ringe, Erkennungsplaketten. Er riß sie herunter und ließ sie Sekunden später fallen. Er wußte nicht, weshalb er das tat. Er kam sich wie der Herrscher eines mythischen Reiches vor, und dies hier waren seine Untertanen.
    Nach zehn Minuten war er nicht mehr sicher, ob er die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Er hob den Kopf gerade hoch genug, um sich zu orientieren, sah die Wipfel einiger kleiner Bäume und wußte, daß sein Zufluchtsort vor ihm lag. Er kroch weiter, seine Ellbogen und Knie schoben ihn über den weichen Boden.
    Plötzlich erreichte er ein paar große Kiefern. Er war nicht an dem kleinen Felshügel angekommen, sondern am Rand des Wäldchens, das seine Kompanie anzugreifen beabsichtigte. Er war zu sehr mit dem toten Feind beschäftigt gewesen, um sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher