Das Schiff - Roman
Vermutungen anzustellen.«
»Warte damit noch ein paar Minuten«, erwidere ich. »Mal sehen, ob wir Essen und Wasser bekommen. Danach bitten wir das Schiff, die Jalousien da vorne zu öffnen. «
»Einverstanden, wenn’s nicht zu lange dauert.« Als Tsinoy leise mit dem Kiefer und den Zähnen klappert, zucken mein Zwilling und ich zusammen, aber offenbar drückt der Spürhund damit nur den dringenden
Wunsch aus, sich baldmöglichst irgendwo niederzulassen, wo er in aller Ruhe und ohne jede Störung nachdenken kann.
Seit dem Aufbruch aus der Transferkapsel hat die Spinnenfrau nichts mehr gesagt, und ich weiß nicht, wie ich ihre Miene deuten soll. Mit großen feuchten Augen hangelt sie sich an den Seilen entlang, von einer Stelle zur anderen, als wartete sie darauf, irgendetwas unternehmen, irgendeine Funktion erfüllen zu können – offenbar muss sie ihre Rolle hier erst noch definieren. Vom selben Gedanken getrieben, gehen mein Zwilling und ich zu ihr hinüber. »Wenn die Kontrollinstrumente wieder installiert sind, kannst du uns dann mehr über den Zustand dieses Schiffskörpers und des ganzen Schiffes sagen?«, fragt mein anderes Ich.
»Möglich.« Sie blickt sich um. »Wieso haben wir eigentlich keinen Alarm ausgelöst? Ich meine, da tauchen wir aus dem Nirgendwo auf, du sprichst die Zauberworte aus, und schon wendet sich alles zum Guten. Wie ist das möglich?«
»Zu schön, um wahr zu sein«, bemerkt mein Zwilling, und ich stimme ihm widerwillig zu. Wir können es uns nicht leisten, auf unseren Lorbeeren auszuruhen, aber Tatsache ist, dass diese Situation angenehmer ist als alles, was wir hinter uns gelassen haben. Vielleicht liegt genau darin die Gefahr: Unsere Wachsamkeit lässt nach.
»Die Stimme hat erwähnt, dass sie die Reiseleitung ausgeschaltet hat, wenn sie sich auch anders ausgedrückt hat. Jedenfalls lief es darauf hinaus«, sage ich.
»Offenbar hat jemand die Kommunikation zwischen den Schiffskörpern blockiert. Vielleicht geht es dabei um einen schon lange schwelenden Machtkampf, der zu kriegsähnlichen Zuständen geführt hat.«
»Ich wünschte nur, wir wüssten mehr über diesen Konflikt«, stöhnt mein anderes Ich.
»Vielleicht können uns die Mädchen darüber aufklären. « Zwar habe ich ein schlechtes Gewissen dabei, ihnen den Schwarzen Peter zuzuschieben, aber schließlich waren sie es, die mich in den ganzen Schlamassel hineingezogen haben. »Womöglich stammen sie sogar von diesem Schiffskörper und sind vor längerer Zeit von hier aufgebrochen.«
»Das ist ja ein ganz neuer Gedanke«, wirft Tsinoy ein und klappert erneut mit den Zähnen.
»Warum kann eigentlich keiner von uns anderen mit dem Schiffskörper reden?«, fragt die Spinnenfrau, doch ehe jemand darauf eingehen oder auch darüber hinweggehen kann – je nachdem, wie man eine solche Frage in einer derart ungeklärten Situation einschätzt …
… gleiten die beiden Mädchen an den Haltestangen vorwärts, fliegen fast, und rufen uns mit hohen Flötentönen zusammen. »Wir brauchen Namen, wir brauchen sofort Namen!«, verkünden sie unisono. »Versammelt euch zur Namensgebung!«
»Mutter muss ganz in der Nähe sein«, sagt mein Zwilling halblaut. »Ich glaube, man wird uns bald mit ihr bekanntmachen.«
Die Namensgebung
D ie Mädchen bewegen sich symmetrisch – eines nach rechts, das andere nach links –, um uns in den Kreis zu holen. Tsinoy fassen sie wegen seines Panzers lieber nicht an, aber er weiß auch so, was er zu tun hat, als die beiden die Hände hochstrecken und ihn dabei ansehen. Die Rotation hat sich inzwischen so verstärkt, dass wir genügend Schwerkraft haben, um nicht bei der leisesten Bewegung vom Boden abzuheben.
Während wir darauf warten, dass die Mädchen uns nach ihren Wünschen aufstellen – sie verhalten sich ähnlich, als würden sie die Sitzordnung für ein großes Bankett festlegen –, murmelt mein anderes Ich der Spinnenfrau etwas zu, die ihm flüsternd antwortet, und wendet sich dann an mich: »Wir nehmen jetzt ziemliche Schwere an. Offenbar rotieren die äußeren Schiffsregionen sehr schnell. Das kann ungemütlich werden, wenn wir in diese Richtung wollen. Aber zumindest sind dort derzeit wohl kaum andere Asylbewerber unterwegs. «
Gut zu wissen. Vielleicht sind wir tatsächlich allein auf 03. Oder alle wichtigen Personen sind an der Mittelachse des Schiffskörpers konzentriert.
»Wäre auch möglich, dass 03 gerade versucht, Angreifer abzuschütteln«, bemerke ich.
»Oje,
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