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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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Auswahl. Weihenstephan hatte sich gerade unter dem neuen Direktor
Bickel zur höheren Lehranstalt gemausert. Wir Studenten waren damals eine
ziemlich bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, der eines gemeinsam war: Wir
hatten alle sehr, sehr wenig Geld.
    Die meisten waren aufgrund der überaus
geschickt abgefaßten Prospekte der Lehranstalt nach Weihenstephan gekommen. In
ihnen wurde das preiswerte Leben in Freising mehr angepriesen als der angeblich
munter sprudelnde Born der Weisheit. Als Schlager der Saison wurde angekündigt,
daß man in der Studentenküche um 25 Pfennig täglich essen könne, wobei das
Frühstück fünf, das Mittagessen 15 und das Abendessen fünf Pfennige kosteten.
Daß es diese mehr geldbeutel- als magenfreundliche Atzung nur von Montag bis
Freitag gab, fand sicher aus Platzgründen in dem Prospekt keine Erwähnung.
Diese Mensa war nach dem Kriege für die Studierenden der landwirtschaftlichen
Hochschule und, als die Gartenbauschule eine höhere Lehranstalt und das
Internat aufgelöst wurde, auch für deren Studierende eingerichtet worden. Das
Essen wurde in der Gutsküche zubereitet, die nach Aussage böser Zungen durch
Zubereitung von Schweinefutter eine große Erfahrung auf dem Gebiet der
Massenverpflegung hatte. Tatsache war, daß das Essen reichlich und für 15
beziehungsweise fünf Pfennige unwahrscheinlich preiswert war.
    Der zweite »umwerfende Preisschlager«
war Direktor Bickels Studentenheim. Hier konnte man sage und schreibe für sechs
Mark im Monat wohnen. Das Studentenheim befand sich in der ehemaligen
Jägerkaserne. Die Schlafsäle waren mit je zehn Feldbetten bestückt. Als
Schränke dienten alte Kommißspinde. Ein Schlafsaal war als Gemeinschaftsraum
eingerichtet. Außerdem stand eine Kochgelegenheit zur Kaffee- bzw. Teebereitung
zur Verfügung. Sei es wie es wolle, bei äußerster Sparsamkeit konnte man
tatsächlich mit 15 bis 20 Mark im Monat durchkommen, und nahezu ein Drittel der
Studierenden hat dieses Kunststück fertiggebracht.
    Es war ja noch nicht einmal ein halbes
Jahr her, daß die Inflation vorüber war, und die Ersparnisse fast aller
Familien hatten sich in nichts aufgelöst. Es mußte also das ganze Studium aus
dem laufenden Einkommen finanziert werden. Unter diesen Gesichtspunkten kann
man diese sozialen Einrichtungen, die damals noch nicht so selbstverständlich
waren wie heute, nicht genug rühmen. Freilich war es kein Vergnügen, zwei Jahre
in einem Kommißschlafsaal zu kampieren, und die eintönige Massenverpflegung der
Studentenküche war auf die Dauer kaum zu ertragen. Aber ein großer Teil der
Gartenbaustudierenden war nur dank dieser Institutionen in der Lage, das
Studium finanziell durchzustehen. Es gab damals weder das Honnefer Modell noch
irgendwelche anderen Stipendien, außer einem Nachlaß der Studiengebühren. Es
ist übrigens auffallend, wie außerordentlich viele, die damals ihr Studium in
Weihenstephan erhungerten, führende Leute im Gartenbau wurden.
    Als ich nach Weihenstephan kam, zog ich
zuerst auch in das Studentenheim, aber bald machte ich mich auf die Suche nach
einer eigenen Bude. Diese Kasernierung War nicht nach meinem Geschmack. Bald
entdeckte ich auch etwas Passendes im Hinterhaus einer Kohlenhandlung. Die
ganze Wohnung, die ich mit einem Kommilitonen teilte, bestand aus einem Zimmer
mit Kochherd, zwei Betten, einem Schrank, zwei Stühlen, einem Tisch und einem
Schaukelstuhl. Wasser gab es auf dem Gang, die Waschschüssel konnte man auf den
Tisch stellen, als Toilette diente der Kuhstall. Es ist noch nachzutragen, daß
das Zimmer nur 15 Mark im Monat kostete, dazu kam noch der elektrische Strom
mit zirka zwei Mark. Da wir zu zweit waren, entfielen nur 8,50 Mark auf jeden.
Leider konnten wir dieses zwar nicht berückend schöne, aber äußerst preiswerte
Quartier nur ein Semester behalten, da sich unsere Wirtin einen Bewerber um
ihre zwar jungfräuliche, aber stark zugreifende Hand zugelegt hatte und das
Zimmer selbst brauchte.
    Es blieb uns nichts anderes übrig, als
eine neue Bude zu suchen. Wir fanden sie dann auch im Mittleren Graben bei
einer Witwe, die über ein kleines Häuschen, einen Kramladen, zwei Töchter und einen
Sohn verfügte. Diese Witwe vermietete uns ein Zimmerchen im ersten Stock und
eine Dachkammer. Wir benutzten das untere Zimmer als Wohn- und Studierraum und
schliefen in der Dachkammer. Vor dem Zimmer war das Blechdach der Waschküche,
das wir als Altane benutzten. Von dieser aus hatte man einen reizvollen

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