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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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der Herr nicht tue?‹ Aber warum tut er’s?
Was will er uns damit sagen? Haben wir uns am Ende übernommen? Wollten wir zu
hoch hinaus? Du weißt, wir müssen ein Krankenhaus bauen, der Doktor läßt mir
keine Ruhe mehr; der Verwaltungsrat hat’s beschlossen, die Pläne sind fertig,
es soll eine halbe Million kosten — und jetzt dies! Die Feuerversicherung wird
uns ja einen Teil des Schadens ersetzen, aber man weiß ja, wie es geht: es soll
dann alles schöner und besser aufgebaut werden, als es vorher war; wir werden
Tausende und Abertausende zuschießen und neue Schulden machen müssen. Seit die
Anstalt in Stetten ist, seit 64 Jahren, hat es noch nie gebrannt — und jetzt,
da wir so große Aufgaben vor uns haben, muß so etwas passieren.«
    Seine Frau, die an die
Todesangst dachte, die sie an diesem Morgen überfallen hatte, als sie die
Flammen aus dem Dach des Schulhauses schlagen sah, war trotz allem froh, daß es
noch so gut abgegangen war, und tröstete ihn: »Den Schaden kann man wieder
ersetzen. Wenn Gott ein Unglück schickt, hat er sicher auch etwas Gutes dabei
im Sinn. Paß auf, wie unsere Freunde im Land uns helfen werden, wenn sie von
dem Unglück hören. Als ich das Feuer so lichterloh aus dem Dach schlagen sah,
bin ich zuerst zu Tod erschrocken, aber dann dachte ich: Das ist wie ein
Signal, das ins Land hinaus leuchtet: Kommt und helft uns! Denk an die
Inflation! Damals sah auch alles grau in grau aus. Die Kinder holte man aus der
Anstalt; wir wußten nicht mehr, wie wir sie satt machen sollten, wir konnten
keine Löhne und Gehälter mehr zahlen — und mit einem Schlag war alles vorbei,
und es ging wieder aufwärts. Wir wollen Gott danken, daß keinem unserer
Schutzbefohlenen etwas passiert ist.«
    Nachdenklich erwiderte er: »Wir
müssen uns noch mehr als bisher auf alles gefaßt machen. Wir müssen alle
menschenmögliche Vorsorge treffen, daß sich so etwas nicht wiederholt. Ich muß
noch in dieser Woche mit allen Mitarbeitern einen Besprechungsabend halten und
beraten, wie wir solche Fälle verhüten, und was eines jeden einzelnen Aufgabe
ist, wenn sich so etwas wiederholen sollte. Du weißt, am nächsten Sonntag bin
ich wieder fort, ich soll in Bad Nauheim drei Gottesdienste halten. Am liebsten
bliebe ich ja da — soll ich nicht absagen?«
    »Ich würde nicht absagen.
Unsere Leute müssen sehen, daß du volles Vertrauen zu ihnen hast. Und wenn
etwas passieren sollte — , du könntest es ebensowenig verhüten wie heute. Wir
wissen doch: ›Wo der Herr nicht die Stadt behütet, da wacht der Wächter umsonst‹.«
    So wurde also an einem der
nächsten Abende die ganze Helferschaft zusammengerufen, der Brandfall und seine
Löschung durchgesprochen, alle Vorsichtsmaßnahmen wurden erörtert, jedem
einzelnen für den Ernstfall seine Aufgaben zugewiesen, die er von selbst zu
erfüllen hatte, die vorhanden nen Löschgeräte geprüft und, soweit nötig, wurde
das Fehlende sofort bestellt. Zum Schluß teilte der Inspektor mit, er müsse, so
leid es ihm tue, am nächsten Sonntag wieder verreisen, er könne es nicht mehr
absagen, obwohl er lieber dageblieben wäre.
    Er reiste also am Samstagmorgen
ab, nicht leichten Herzens, aber doch voll Freude auf den Sonntag, an dem er
bei der Südwestdeutschen Konferenz Gottes Wort verkündigen sollte.
    Am Abend des Sonntags, an dem
er noch mit seinen Amtsbrüdern zusammensaß und ihnen eben von dem Brand am
vergangenen Sonntag erzählte, hieß es plötzlich: »Ein Telegramm für Pfarrer
Kieser aus Stetten!«
    Er sprang schreckensbleich auf
und las: »Stall und Scheune abgebrannt!«
    Es war ihm, als wankte der
Boden unter seinen Füßen. Sein erster Gedanke war: Wäre ich doch daheim
geblieben! Sein zweiter: Ich muß sofort heim!
    In seiner Bestürzung konnte er
nur immer wieder den Kopf schütteln: Unmöglich, unmöglich! Er hörte wohl die
teilnehmend den Worte seiner Freunde, aber sie drangen nicht in sein Herz. Ein
alter Amtsbruder klopfte ihm beim Abschied auf die Schulter: »Wirf dein
Vertrauen nicht weg!«
    Als er kurz darauf im Zug saß,
wußte er nicht mehr, wie er hineingekommen war. Während er sich mit seinen
Gedanken abquälte, kam es ihm vor, als ob das gleichmäßige Rattern und
Schüttern der Räder immer nur ihm zum Spott wiederholte: Stall und Scheuer
abgebrannt — Stall und Scheuer abgebrannt! Er brachte die furchtbaren Worte
nicht aus dem Kopf, bis er im stillen die Hände faltete: »Christus, erbarme
dich! Herr, erbarme dich!« Stall und

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