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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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Dale fand damals, dass Jack wie ein Mann ausgesehen hatte, der an einen ihm unbekannten Ort kommt, nur um zu entdecken, dass er in Wahrheit wieder heimgekehrt ist.
    »Mann, ich kann’s einfach nicht fassen«, hatte Jack einmal zu ihm gesagt. Die beiden waren in Dales Caprice-Streifenwagen unterwegs, der alten Kiste, die immer Probleme mit der Spureinstellung hatte (und bei der manchmal die Hupe klemmte, was peinlich sein konnte). »Ist Ihnen klar, dass Sie sich glücklich schätzen können, hier zu leben, Dale? Das hier ist bestimmt eine der schönsten Landschaften der ganzen Welt.«
    Dale, der sein ganzes Leben im Coulee Country verbracht hatte, setzte dem nichts entgegen.
    Gegen Ende ihres letzten Gesprächs über Thornberg Kinderling hatte Jack ihn also daran erinnert, dass er ihn doch einmal gebeten habe (nicht ganz im Scherz, aber andererseits auch nicht ganz ernsthaft), ihn zu benachrichtigen, falls in der Gegend irgendein hübsches Anwesen außerhalb der Stadt zu verkaufen sei. Und Dale hatte an Jacks Tonfall – an dem fast besorgten Tieferwerden seiner Stimme – sofort erkannt, dass die Zeit der Scherze vorbei war.
    »Und deshalb bist du mir was schuldig«, murmelt Dale, während er den Schlauch schultert. »Du bist mir was schuldig, du Hundesohn.«
    Natürlich hat er Jack bereits gebeten, inoffiziell an den Ermittlungen im Fall Fisherman mitzuwirken, aber Jack hat abgewinkt … mit einem ängstlichen Unterton. Ich bin pensioniert, hat er brüsk gesagt. Falls du nicht weißt, was das Wort bedeutet, Dale, können wir’s gemeinsam im Lexikon nachschlagen.
    Aber das ist doch lächerlich, oder? Natürlich ist’s das. Wie
kann ein Mann mit noch nicht einmal fünfunddreißig pensioniert sein? Vor allem einer, der in seinem Beruf so teuflisch gut ist?
    »Du bist mir was schuldig, Baby«, murmelte er noch einmal, während er die Außenwand des Hauses entlang zum Wasserhahn geht. Der Himmel über ihm zeigt sich wolkenlos; der gut gewässerte Rasen ist grün; es gibt kaum Anzeichen für Verwerfungen, nicht hier draußen in der Herman Street. Trotzdem mag es vielleicht welche geben, und vielleicht spüren wir sie. Eine Art misstönendes Summen wie das Geräusch der tödlichen Stromstärke, die durch das stählerne Fachwerk des KDCU-Sendemasts pulsiert.
    Aber wir haben uns hier viel zu lange aufgehalten. Wir müssen weiterfliegen, um unser letztes Ziel an diesem frühen Morgen zu erreichen. Wir wissen noch nicht alles, aber wir wissen bereits drei wichtige Dinge: erstens, dass French Landing eine kleine Stadt in schrecklicher Sorge ist; zweitens, dass einige wenige Leute (Judy Marshall zum einen, Charles Burnside zum anderen) auf irgendeiner unterschwelligen Ebene begreifen, dass die Leiden der Stadt weit über die Schandtaten eines einzelnen gestörten, pädophilen Mörders hinausgehen; drittens, dass wir noch niemandem begegnet sind, der imstande wäre, bewusst die Kräfte – die Verwerfungen – zu erkennen, die jetzt auf diese ruhige Kleinstadt an Toms und Huckleberrys Fluss einwirken. Alle Menschen, die wir kennen gelernt haben, sind auf ihre jeweilige Art so blind wie Henry Leyden. Das gilt für die Leute, denen wir noch nicht begegnet sind – Beezer St. Pierre, Wendell Green, die Farbentruppe -, ebenso wie für unsere Bekannten.
    Unsere Herzen lechzen nach einem Helden. Und obwohl wir vielleicht keinen finden werden (schließlich leben wir im 21. Jahrhundert, in dem nicht d’Artagnan und Jack Aubrey, sondern George W. Bush und Dirtysperm den Ton angeben), können wir vielleicht einen Mann finden, der einst ein Held war. Deshalb wollen wir einen alten Freund aufsuchen, den wir zuletzt tausend und mehr Meilen weiter östlich am Strand des stetig rauschenden Atlantiks gesehen haben. Jahre sind vergangen und haben den Jungen, der er war, in mancher Beziehung
geschwächt. Er hat viel vergessen und einen großen Teil seines Erwachsenenlebens damit verbracht, sich diesen Zustand der Amnesie zu erhalten. Dennoch ist er French Landings einzige Hoffnung, weshalb wir uns aufmachen wollen und fast genau nach Osten über die Wälder und Felder und sanften Hügel zurückfliegen.
    Unter uns sehen wir meilenweit nur Farmland: strammstehende Maisfelder, ertragreiche Heuwiesen, gelbliche Streifen mit üppiger Luzerne. Staubige schmale Zufahrten führen zu weiß gestrichenen Farmhäusern und ihren Nebengebäuden: große Scheunen, Getreidespeicher, zylinderförmige Silos aus Hohlblocksteinen und lange Geräteschuppen mit

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