Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
Polizist, wie Ihr Vater.«
    »Trotzdem hatte ich anfangs Angst vor ihm. Er hatte ein großes rotes Gesicht. Der Sheriff opferte schließlich zwanzig Dollar für eine Woche Unterhalt, während er ›die Dinge wieder ins reine brachte«. Er sagte, bei warmem Wetter gäbe es keinen Grund für den Stall. Die Zeitungen schnappten es auf. Es gab Aufregung.
    Die Cousine meiner Mutter stimmte zu, mich gehen zu lassen. Ich landete im Lutheraner-Heim in Bozeman.«
    »Ein Waisenhaus?«
    »Ja.«
    »Und Hannah?«
    »Sie kam mit. Ein großer lutheranischer Rancher stiftete das Heu. Im Waisenhaus gab es bereits eine Scheune. Wir pflügten den Garten mit ihr. Man mußte allerdings aufpassen, wo sie hin-trat. Sie lief sonst durch die Wachsbohnenspaliere und trampelte alle Pflanzen nieder, die zu kurz waren, als daß sie sie an den Beinen spüren konnte. Und wir führten sie Kinder in einem Wagen ziehend herum.«
    »Sie starb aber.«
    »Nun, ja.«
    »Erzählen Sie mir davon.«
    »Es war letztes Jahr, schrieben sie mir in die Schule. Sie meinen, sie sei ungefähr zweiundzwanzig geworden. Hat noch am letzten Tag ihres Lebens einen Wagen mit Kindern gezogen und ist im Schlaf gestorben.«
    Dr. Lecter schien enttäuscht. »Wie bewegend«, sagte er. »Hat Ihr Stiefvater in Montana Sie gefickt, Clarice?«
    »Nein.«
    »Hat er es versucht?«
    »Nein.« »Was hat Sie dann dazu veranlaßt, mit dem Pferd davonzulau-fen?«
    »Sie wollten es umbringen.«
    »Wußten Sie, wann?«
    »Nicht genau. Ich machte mir die ganze Zeit darüber Sorgen. Es wurde ziemlich dick.«
    »Was war dann der Auslöser? Was ließ Sie gerade an diesem Tag aufbrechen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich glaube doch.«
    »Ich hatte mir die ganze Zeit darüber Sorgen gemacht.«
    »Was hat Sie dazu gebracht, Clarice? Um wieviel Uhr sind Sie aufgebrochen?«
    »Früh. Es war noch dunkel.«
    »Dann hat Sie etwas geweckt. Was hat Sie geweckt? Haben Sie geträumt? Was war es?«
    »Ich wachte auf und hörte die Lämmer schreien. Ich wachte im Dunkeln auf, und die Lämmer schrien.«
    »Man hat die Frühjahrslämmer geschlachtet?«
    »Ja.«
    »Was haben Sie getan?«
    »Ich konnte nichts für sie tun. Ich war nur ein -«
    »Was haben Sie mit dem Pferd gemacht?«
    »Ohne das Licht anzumachen, zog ich mich an und ging nach draußen. Hannah hatte Angst. Alle Pferde im Gehege hatten Angst und liefen herum. Ich blies ihr in die Nase, und sie wußte, daß ich es war. Schließlich legte sie ihre Nase in meine Hand. In der Scheune und im Schuppen beim Schafpferch waren die Lichter an. Nackte Birnen, große Schatten. Der Kühlwagen war gekommen, und der Motor dröhnte im Leerlauf. Ich führte sie weg.«
    »Haben Sie sie gesattelt?«
    »Nein. Ich nahm ihren Sattel nicht. Nur ein Seil, wie man es beim Zureiten verwendet, mehr nicht.«
    »Als Sie in der Dunkelheit loszogen, konnten Sie dort, wo die Lichter waren, die Lämmer noch hören?«
    »Nicht lange. Es waren ja nur zwölf.«
    »Manchmal wachen Sie noch auf, nicht wahr? Wachen in der unerbittlichen Dunkelheit beim Schreien der Lämmer auf?« »Manchmal.«
    »Glauben Sie, wenn Sie Buffalo Bill selbst fangen und bei Catherine alles in Ordnung bringen würden, Sie könnten die Lämmer zum Schweigen bringen, glauben Sie, auch bei ihnen wäre alles in Ordnung, und Sie würden nicht wieder im Dunkeln aufwachen und die Lämmer schreien hören? Clarice?«
    »Ja. Ich weiß nicht. Vielleicht.«
    »Danke, Clarice.« Dr. Lecter schien auf seltsame Weise fried-lich.
    »Sagen Sie mir seinen Namen, Dr. Lecter«, sagte Starling.
    »Dr. Chilton«, antwortete Lecter. »Ich glaube, Sie kennen einander.«
    Einen Augenblick lang war Starling nicht bewußt, daß Chilton hinter ihr stand. Dann faßte er sie am Ellbogen.
    Sie zog ihn zurück. Officer Pembry und sein großer Partner standen bei Chilton.
    »In den Aufzug«, sagte Chilton. Sein Gesicht war rotgefleckt.
    »Wußten Sie, daß Dr. Chilton keinen Doktorgrad hat?« sagte Dr. Lecter. »Bitte erinnern Sie sich später daran.«
    »Gehen wir«, sagte Chilton.
    »Sie sind hier nicht zuständig, Dr. Chilton«, entgegnete Starling.
    Officer Pembry kam um Chilton herum. »Nein, Ma'am, aber ich. Er hat meinen und auch Ihren Chef angerufen. Tut mir leid, aber ich habe Befehl, Sie hinauszubegleiten. Kommen Sie jetzt mit.«
    »Auf Wiedersehen, Clarice. Werden Sie mich wissen lassen, ob die Lämmer je aufhören zu schreien?«
    »Ja.«
    Pembry nahm sie am Arm. Es hieß also gehen oder mit ihm zu kämpfen.
    »Ja«, sagte sie.

Weitere Kostenlose Bücher