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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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erst kürzlich wieder einmal unangenehm aufgefallen, war zugegen gewesen, wenn auch nur, um den Kunststoffrasen, der das offene Grab säumte, nach der Beisetzung wieder einzurollen.
    An jenem kalten Tag hatte sich Kat, inmitten der Trauernden, nicht vorstellen können, dass nur vier Monate später wieder so viel Heiterkeit herrschen würde. Nun zeigte sich, dass der Mord an George fast vergessen und die Normalität in die Stadt zurückgekehrt war.
    Das Geständnis des Mörders schien dazu beigetragen zu haben.
    «Kommt, Leute!», rief Lisa Gunzelman. «Kommt her, und versenkt unsere Polizeichefin.»
    Mehrere versuchten es, aber niemand traf ins Ziel. Kat machte sich schon Hoffnungen darauf, trocken über die Runden zu kommen, und war in Gedanken bereits bei ihrem Sohn James, der sich zurzeit wahrscheinlich im Swimmingpool von Jeremys Eltern amüsierte. Sie wollte ihn gleich abholen, einen Hamburger mit ihm essen und anschließend das Feuerwerk bestaunen. Alles in allem ein schöner Tag, dachte sie, vorausgesetzt, sie bliebe trocken.
    Kat blickte auf das ungechlorte Wasser im Tank dreißig Zentimeter unter ihren Sandalen, eine trübe Brühe. Trotz der Hitze, die immer noch anhielt, wollte sie sich darin nicht abkühlen.
    «Wie geht’s dir da oben?»
    Kat drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, und sah ihren Stellvertreter Carl Bauersox. «Müsstest du nicht für Sicherheit und Ordnung sorgen?»
    «Das tue ich doch», sagte er. «Ich habe die Menschenmenge genau im Auge, bin sozusagen mittendrin.»
    Er hatte recht. Die meisten Festbesucher hatten sich um den Tank versammelt und warteten darauf, sie ins Wasser fallen zu sehen. Lisa witterte eine gute Gelegenheit und hielt Kats Stellvertreter drei Bälle hin.
    «Möchten Sie’s nicht auch mal versuchen?»
    «Das kann ich nicht machen», antwortete Carl.
    Lisa kam ihm entgegen. «Geht aufs Haus.»
    Carl sah Kat an, die ihm versicherte, ihm in dem unwahrscheinlichen Fall, dass er sie ins Wasser schickte, zu vergeben. Schließlich lenkte Carl ein und warf genauso, wie man es von einem übergewichtigen, sonnenverbrannten Cop erwartete – schlecht. Der erste Ball kam dem Ziel nicht einmal nahe.
    «Der war nur zum Warmwerden», erklärte er.
    Kat lachte. «Verstehe.»
    Das Lachen verging ihr, als Carls zweiter Versuch tatsächlich ins Schwarze traf und die Menge applaudierte. Zum Glück für Kat war der Wurf allerdings nicht fest genug gewesen, und der Ball prallte vom Rand der Zielscheibe ab.
    Carl schöpfte Hoffnung und holte mit dem rechten Arm aus. Die Zuschauer johlten, als der Ball schnurgerade auf das Ziel zuflog. Der Aufprall war deutlich zu hören und die Scheibe klappte nach hinten weg.
    Unter Kat klickte etwas. Die Planke, auf der sie saß, kippte zur Seite, und ehe sie noch einmal Luft holen konnte, war sie im Wasser.
     
    Henry hatte sich vorgenommen, in aller Ruhe in seinem Büro zu arbeiten. Aus den Lautsprechern der Stereoanlage tönte wie gewöhnlich Musik, diesmal eine Oper von Wagner. Die bombastischen Klänge wurden jedoch von anderen Geräuschen gestört. Eine Gruppe von Jugendlichen hatte sich auf dem Parkplatz vor der Redaktion versammelt und zündete Feuerwerkskörper, während auf der Main Street das Straßenfest zur Feier des 4. Juli stattfand. All diese Geräusche mischten sich zu einer Kakophonie, die Henry leichte Kopfschmerzen bescherte. Zu allem Überfluss klingelte auch noch das Telefon.
    Henry drehte die Musik leiser und passte einen Moment ab, in dem gerade nicht geböllert wurde, ehe er den Hörer abnahm.
    «
Perry Hollow Gazette
, Henry Goll.»
    «Henry?»
    Es war Deana Swan, die überrascht zu sein schien, ihn tatsächlich in der Leitung zu haben.
    «Sie arbeiten heute?»
    «Ich muss», entgegnete er, was gelogen war. Er hätte wie jeder andere den Tag freinehmen können, war aber mangels Alternativen ins Büro gegangen. «Sie scheinen ja auch im Dienst zu sein.»
    «Aber nicht mehr lang. Ich wollte nur schnell mitteilen, dass heute keine weiteren Todesanzeigen eingegangen sind.»
    Henry bedankte sich. «Dann kann ich ja jetzt auch gehen.»
    «Schön, dass ich Ihnen die gute Nachricht überbringen konnte. Schauen Sie sich heute Abend das Feuerwerk an?»
    «Nein, ich habe andere Pläne.»
    Noch eine Lüge. Seine Pläne bestanden darin, nach Hause zu gehen, eine Flasche Syrah zu öffnen und John Updike zu lesen.
    «Schade», sagte Deana. «Ich wollte gerade fragen, ob Sie mich begleiten.»
    Er hatte während der

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