Das Schweigen des Glücks
Funk jemanden rufst… Joe, sie muss es wissen. Sie hat seit Stunden nichts gehört… also gut… «
Sie sah Denise an und sagte: »Ich warte. Er ruft jemanden über Funk. In ein, zwei Minuten wissen wir Bescheid. Wie geht es Ihnen?«
Denise lächelte zum ersten Mal seit Stunden.
»Danke«, sagte sie schwach.
Eine Minute verging und noch eine, bevor Judy wieder sprach. »Ja, ich bin noch dran… «
Judy sagte nichts, während sie sich berichten ließ, und Denise merkte, wie gegen ihr besseres Wissen Hoffnung in ihr aufkeimte.
Wenn doch nur… bitte…
Sie versuchte, eine Regung in Judys Gesicht zu entdecken. Während Judy weiter schwieg, formte sich ihr Mund zu einer schmalen Linie. Schließlich sagte sie in die Muschel: »… Ja, gut… Danke, Joe. Ruf hier an, wenn du etwas erfährst, was auch immer… Ja, im Krankenhaus von Elizabeth City… Und wir melden uns später noch einmal… «
Während Denise sie ansah, spürte sie, wie sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete und die Übelkeit wiederkehrte.
Kyle war noch immer dort draußen…
Judy legte auf und ging zum Bett hinüber. »Sie haben ihn noch nicht gefunden, aber die Suche geht weiter. Ein paar Männer aus der Stadt sind zu ihnen gestoßen, es sind also mehr an der Suche beteiligt als zuvor. Das Unwetter hat etwas nachgelassen und sie glauben, dass Kyle in südöstlicher Richtung gegangen ist. Seit einer Stunde ungefähr suchen sie in dieser Richtung… «
Denise hörte kaum, was Judy sagte.
Es ging auf halb zwei zu.
Die Temperatur – anfangs noch zwischen fünfzehn und zwanzig Grad – war auf unter zehn Grad gesunken und seit einer Stunde suchten sie im Gruppenverband. Bei dem kalten, nördlichen Wind sank die Temperatur ziemlich schnell und den Suchenden wurde bewusst, dass sie den kleinen Jungen in den nächsten zwei Stunden würden finden müssen, wenn sie ihn lebend finden wollten.
Sie hatten einen Teil des Sumpflandes erreicht, in dem die Vegetation nicht ganz so dicht war; die Abstände zwischen den Bäumen waren größer und man wurde nicht dauernd von Ranken und Gestrüpp zerkratzt. Hier ging es mit der Suche schneller voran. Taylor sah drei Männer beziehungsweise ihre Stablampen – rund um sich herum. Nichts wurde übergangen.
Taylor hatte in diesem Teil des Sumpflandes gejagt. Weil es etwas höher lag, war der Boden trocken und das Wild kam hierher zum Äsen. Gut eine halbe Meile weiter fiel das Land wieder unter den Wasserspiegel, dort lag der Teil des Sumpflandes, der bei den Jägern als Duck Shot bekannt war. In der Jagdsaison konnte man Dutzende von Männern finden, die in Ansitzen, von denen es hier viele gab, auf der Lauer lagen. Das Wasser stand das ganze Jahr einen knappen Meter hoch und es lohnte sich immer, hier zu jagen.
Weiter als bis hierher hätte Kyle nicht kommen können. Vorausgesetzt natürlich, dass sie sich in die richtige Richtung bewegten.
Kapitel 7
E s war jetzt 2.26 Uhr. Kyle war seit fünfeinhalb Stunden verschwunden.
Judy feuchtete einen Waschlappen an, kam damit ans Bett und wusch Denise sanft das Gesicht. Denise hatte kaum gesprochen und Judy bedrängte sie nicht. Denise sah aus, als stünde sie unter Schock, sie war blass und erschöpft, ihre Augen waren rot und glasig. Judy hatte zur vollen Stunde noch einmal auf der Wache angerufen und erfahren, dass es immer noch nichts Neues zu berichten gab. Diesmal schien Denise damit gerechnet zu haben, sie hatte kaum reagiert.
»Kann ich Ihnen ein Glas Wasser bringen?«, fragte Judy. Als Denise nicht antwortete, erhob Judy sich vom Bett und holte ungebeten ein Glas Wasser. Als sie wieder zum Bett kam, versuchte Denise aufzusitzen und zu trinken, aber die Auswirkungen des Unfalls machten sich jetzt in ihrem ganzen Körper bemerkbar. Ein scharfer Schmerz schoss ihr wie ein elektrischer Schlag vom Handgelenk in die Schulter. Bauch und Brust taten ihr weh, als hätte lange Zeit etwas Schweres darauf gelastet, das nun endlich weggenommen worden war, so dass ihr Körper allmählich wieder seine eigentliche Form annahm, wie ein Ballon, der vorsichtig neu aufgepumpt wurde. Ihr Nacken wurde steif und sie hatte das Gefühl, als wäre ihr ein Stahlstab in die Brustwirbelsäule gesteckt worden, der verhinderte, dass sie den Kopf vorwärts und rückwärts bewegen konnte.
»Hier, ich helfe Ihnen… «, bot Judy ihr an.
Judy setzte das Glas ab und half Denise, sich aufzurichten. Denise stöhnte unterdrückt, hielt den Atem an und presste die Lippen fest zusammen, als
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