Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
wie schön sie aussahen. Das hat sie durcheinandergebracht – so viel habe ich gespürt, und normalerweise bringt Maude McCloskey nichts durcheinander. Sie wollte was sagen, brachte es aber nicht heraus. Sonst steht Maudes Klappe nie still. Wenn sie sie nicht gesehen hat, dann sieht sie auch niemand anders. Ausgenommen wir beide.
»Bloß warum …?«
»Wenn du die Antwort gefunden hast, lässt du sie mich auch wissen?«
»Und du machst es genau so: Du sagst es mir, nicht wahr?«
Kitty sah ihren Mann an, und ihr wurden die Augen feucht. »Ich bin eine Frau ohne Geheimnistuerei. So, wie ich dir eben erzählt habe, was ich gesehen habe, so werde ich dir alles erzählen.« Sie sprach nicht weiter und hob die rechte Augenbraue. »Es sei denn, ich beschließe, es nicht zu tun.«
»Auch gut. Dann muss ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich es ebenso mache.«
»Kannst du nicht. Etwas für dich behalten, meine ich.«
Kieran zuckte die Achseln, stand vom Schemel auf und stellte ehrfurchtsvoll die Harfe an ihren Platz. Er hatte die Hände noch nicht völlig vom Instrument gelöst, da schaute er zu Kitty hoch und fragte: »Sind die immer um uns, egal ob wir sie sehen oder nicht?«
Kitty, die mit der rechten Hand über den Webstuhlrahmenstrich, sah kurz auf, vergewisserte sich nach beiden Seiten und senkte dann wieder den Blick zu ihrer Hand. »Ich … ich weiß nicht. Hab noch nie daran gedacht.«
»Könnten sie jetzt hier sein? Hier in diesem Raum!« Er gab sich alle Mühe, sich nicht umzuschauen.
»Nein. Glaube ich nicht.«
»Aber ganz sicher bist du dir nicht.«
»Ich bin mir bei nichts mehr ganz sicher.«
»Darf ich eine höchst delikate Frage stellen?«
»Stell sie, dann werde ich dir sagen, ob du darfst oder nicht.«
»Wenn du und ich … wenn wir so beisammen sind … nur wir beide … sind sie dann auch in unserem Zimmer … nachts und so … und gegen Morgen?«
Durch Kittys obere Körperhälfte ging ein entschiedener Ruck nach hinten, als scheute sie vor dem Thema zurück. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
»Na, dann tu es jetzt.«
»Aber die würden doch nicht … ich meine, warum sollten sie … und zu so einer Zeit! Nein. Natürlich sind sie nicht dort.«
»Du bist dir sicher.«
»Ist ja schrecklich, man darf gar nicht daran denken.«
»Schrecklich. Finde ich auch.«
»Wir sollten den Gedanken einfach ignorieren …«
»Wenn du das kannst! Ich hab da meine Schwierigkeiten.«
»Warum sollten die beiden uns belauschen? Deswegen sind sie doch nicht hier, oder?«
»Bloß warum
sind
sie dann hier?«
Kitty wusste keine Antwort und ließ sich am Webstuhl nieder. Mit dem Fuß setzte sie den Tritt in Bewegung. Sie sagte nichts, schaute nur auf die Hand, die auf dem Brustbaum lag, der jetzt vor und zurück glitt. Schließlich redete sie, ihr Fuß arbeitete weiter. Sie sprach zögernd, als müsstesie die verworrenen Gedanken sortieren, die gänzlich ungeordnet aus einem entlegenen Winkel ihres Hirns kamen. »Ihr eigentliches Wesen ist woanders. In der Ewigkeit. Von Liebe erfüllt. Aber Freude und Frieden sind ihnen verwehrt. Ein Teil von ihnen hat sich losgerissen, von dem, was sie geworden sind – und hält sich hier auf, an diesem Ort, in diesen Mauern, streift durch unsere Felder und Weidegründe, sucht nach dem, was sie zu einem Ganzen machen wird, später einmal und für immer. Etwas ist unerledigt geblieben. Es beunruhigt ihre Seelen. Es quält ständig ihren Geist.
Sie sind jenseits der Zeit, wo alles, was je war, jetzt ist, und wo alles, was noch kommen soll, ebenfalls jetzt ist. Es ist ein Moment – und doch bleibt er, ohne sich je zu ändern. Manchmal kehren sie in die Welt der Zeit zurück, wo Veränderung noch möglich ist. Und es ist innerhalb der Zeit, dass sie sich vervollständigen. Dann wäre ihre Aufgabe erfüllt. Doch der Moment, in dem das geschehen soll, muss sich erst noch offenbaren. Und vielleicht sind sie hier – zeigen sich nur uns –, erbitten unsere Hilfe.« Sie schaute Kieran an. Er hielt wieder die Harfe und hatte eben die rechte Hand gehoben, als wollte er mit den Fingern die nicht vorhandenen Saiten zupfen. »Sie sind hier«, flüsterte Kitty.
Ihr Blick ging zurück zum Webstuhl. Da waren die Fäden, die es zuvor nicht gab – grob und braun –, die von der Maschine verarbeitet wurden. Und vor ihr ausgebreitet war das Tuch, schwer und gewebt von ebendem braunen Garn. Sie nahm die Hände vom Webstuhl und die Füße vom Trittbrett. Im gleichen
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