Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
Freiheit, ihre auf dem Teppich abzusetzen.
»Nicht doch, meine Liebe, nicht auf dem Teppich! Der ist ganz schmutzig, ich hab noch nicht sauber gemacht.« Sie schob mit der Schuhspitze das Tablett zu Kitty, so dass sie auch heranreichte. »Hier, da haben gut und gern beide Platz.«
Kitty bemerkte neben dem Teekessel eine Schale mit Oliven. Offensichtlich würde es nicht bei einem harmlosen Teestündchen bleiben. Ehe sie der Aufmunterung ihrer Gastgeberin Folge leistete, gönnte sie sich noch einen zweiten, nicht ganz so großen Schluck. Dann setzte sie Tasse und Untertasse neben dem Schälchen mit den Oliven auf dem Tablett ab. Beim Hinunterbeugen stellte sie sich vor, wie zum Ende der Teestunde sie und Maude über das Tablett taumeln würden, weil sie etwas zuviel gesüffelt hatten. Kieran würde kommen und sie nach Hause fahren müssen.
Das durfte nicht passieren. Vor allen Dingen musste sie zuvor für all die Dinge, die sie beschäftigten, Maude eine plausible Erklärung entlockt haben. Ob sie dann aber wissen würde, weshalb sie Maude überhaupt zu sich eingeladen hatte, blieb offen. Peters Interesse fürs Dachdecken lieferte keine rechte Erklärung für ihre Bereitschaft, eine Flasche Gin zu leeren und sich in extravaganter Gastfreundschaft zu üben. Was wollte Maude vonihr? Hatte Peter ihr etwas von den Enthüllungen des letzten Jahres erzählt, von Kittys und Kierans schandbarer Familiengeschichte? Wusste Maude, dass ein Vorfahre von ihr und einer von ihm sich verpflichtet hatten, die Burg in die Luft zu sprengen, sich aber zunächst nach Tralee aufgemacht hatten, um Verwandte von ihrer bevorstehenden Heirat in Kenntnis zu setzen? Hatte Maude in einer ihrer hellseherischen Eingebungen Wind davon bekommen, dass sie Declans Gebeine entdeckt hatten, die dann von einem losbrechenden Sturm im Meer begraben wurden? Hatte Maude die Totenwache gesehen, auf der es nicht weniger als drei Mordgeständnisse gegeben hatte, aber niemand beurteilen konnte, wer nun wirklich der Täter war?
Sollte Kitty mit all dem konfrontiert werden, würde sie rein gar nichts zugeben, sich lieber eine doppelte Portion Oliven einhelfen, um die nächste Runde des Wettstreits zu bestehen. Sollte doch Maude glauben, was sie glauben wollte, sehen, was sie gesehen haben mochte. Auf Bestätigungen von Kitty würde sie lange warten können, egal, wie viele Oliven sie opferte.
Nach einem weiteren, nicht zu verachtenden Schluck lehnte sich Maude zurück und eröffnete die Partie. »Allem Anschein nach ist Declan Tovey zu uns zurückgekehrt.«
Kitty genehmigte sich einen ähnlich großen Schluck wie Maude und hätte sich auch gern die Olive gegönnt, aber die musste noch etwas warten. Zunächst musste eine Antwort her. »Er war ganz schön lange weg. Hast du eine Idee, wohin es ihn verschlagen hatte?«
Maude leerte ihre Tasse. »Ich dachte immer, du würdest das wissen, so eng, wie ihr mal zusammen wart, oder war es eher Lolly McKeever – die heutige Lolly McCloud. Ist ja auch egal. Aber einer von euch oder ihr alle beide werdet wissen, wo er gewesen sein könnte und was ihn getrieben hat, wieder zurückzukommen.«
»Tatsächlich?« Kitty fischte sich die Olive, drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her und ließ sie wieder in die Tasse fallen. »Ich hatte immer den Eindruck, dass über dasTreiben von Declan Tovey du am allerbesten Bescheid wusstest.«
»Ich? Niemals. Mir war es nie vergönnt, in die Privilegien, die vielen gewährt wurden, eingeweiht zu sein, geschweige denn selbst an ihnen teilzuhaben. In der Beziehung bin ich eine von den Benachteiligten. Auf manchen Gebieten weiß ich herzlich wenig. Du hingegen …«
»Wenn ich an die vielen Stunden denke, bei denen er unter uns weilte, hat er dich gewiss hinreichend beeindruckt, dass du …«
»Ich bin in der Hinsicht immer unbeeindruckt geblieben. Im Gegensatz zu anderen. Ich hatte, wie du weißt, meine eigenen Ablenkungen und ging anderen Vorlieben nach. Ja. Anderen. Aber du …«
Kitty stopfte sich die Olive in den Mund und begann fieberhaft, darauf herumzukauen, nur der Kern war hinderlich. Auf keinen Fall durfte sie sich ihre innere Aufruhr anmerken lassen, und sie verlangsamte ihre Kieferarbeit. »Er hat dich nicht sonderlich beeindruckt, als du ihn zuletzt gesehen hast? Und hättest du ihn nicht allzu gern gefragt, wo er die ganze Zeit gewesen ist? Oder hast du es sowieso schon gewusst?«
Maude stand Kitty in nichts nach, steckte sich gleichfalls ihre Olive in
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