Das Schwert der Keltin
Dorf, das aus kaum mehr als drei Hütten bestand. Im Angesicht des wahren Krieges flohen die Geister in weite Ferne. In diesen Zeiten schlief Valerius gut, aß ausgiebig und trank aus reinem Vergnügen - nicht, weil er den Wein brauchte. Gemeinsam mit ihm ritt Longinus Sdapeze, der sich mittlerweile von seinen Kriegsverletzungen erholt hatte und zum Standartenträger der Truppe befördert worden war. Der Mann war intelligent und besonnen, und er verstand besser als irgendein anderer Valerius’ unberechenbare Stimmungsschwankungen.
Wir reiten aus, um Caratacus zu töten. Caradoc. Um ihn zu töten. Zu töten ...
In diesem Augenblick war Valerius’ Leben geradezu perfekt.
Am dritten Tag, nachdem sie Camulodunum verlassen hatten, setzte der Regen ein. Leicht und ohne den damit normalerweise einhergehenden Wind rieselte er in dünnen Fäden aus dem wolkenverhangenen Himmel herunter; ein warmer, gleichmäßiger Nieselregen. Er durchtränkte Haut und Haar, Leder und Wolle, und ließ die bis auf die Baumwurzeln ausgetretenen Pfade nur noch glitschiger werden. Jene Pfade, über die in den vergangenen acht Jahren schon Tausende neuer Rekruten marschiert waren, um in den wilden Bergen des Westens für Rom zu sterben.
Leider verhüllten die Wolken aber nicht den abnehmenden Mond, der blass am östlichen Horizont schwebte. Für die Thraker bedeutete er Unglück, und der Regen schien sie in ihrer Ansicht nur noch zu bestärken. Im Schritttempo ritt Valerius seinen Schecken durch den Schlamm und horchte auf das Gemurmel seiner Männer; hörte, wie deren Überzeugung nur noch stärker wurde. Dann erschien zu seiner Linken ein Pferd.
»Jemand sollte dem Statthalter sagen...«
»Nein.«
»Du weißt ja gar nicht, was ich gerade sagen wollte«, entgegnete Longinus etwas verärgert.
Valerius lächelte säuerlich. »Ich weiß sogar genau, was du gerade sagen wolltest. Du willst, dass ich Scapula darüber informiere, dass seine Armee so lange im Nachtlager ausharren sollte, bis der Mond verblasst - oder nach Camulodunum zurückkehren und seinen Aufmarsch verschieben, bis wir Neumond haben und das Licht dieser Dame dann allen Männern den sicheren Sieg sowohl im Krieg als auch in der Liebe verspricht. Allerdings will mir nicht so ganz in den Kopf, wie es in irgendjemandes Absicht stehen könnte, dass dieses Glück auch Caradoc beschieden sein sollte. Und darum sage ich dir jetzt mal etwas...« Damit wandte sich Valerius im Sattel um. »Und zwar wirst du jetzt dem Statthalter etwas ausrichten. Ich wette mein Pferd gegen deines, dass du mit deiner lädierten Stimme keine drei Worte rausbringst, ehe Scapula dich bereits wieder aus den Reihen entlässt und nach Hause schickt. Und wenn er so einen richtig schlechten Tag hat, schickt er dir den Rest von uns sogar noch als Eskorte hinterher.«
Valerius hatte einige Anstrengungen unternommen, um das Ausmaß der Verletzungen des ihm unterstellten Thrakers vor seinen Vorgesetzten verborgen zu halten. In manchen Abteilungen der römischen Armee herrschte die Ansicht, dass ein Mann, der seine Befehle nicht einmal quer über ein komplettes Schlachtfeld brüllen konnte, eine Belastung sowohl für sich selbst als auch für die Truppe wäre. Zwar teilte Valerius diese Ansicht nicht unbedingt, aber er wollte auch niemandem einen Vorwand liefern, um Longinus aus den Plänen für den Angriff wieder auszustreichen. Angesichts der ungewissen politischen Wirren in der Festung war es nämlich nur allzu wahrscheinlich, dass im Zweifelsfall Valerius’ kompletter Flügel hätte zurückbleiben müssen, um Longinus quasi Gesellschaft zu leisten.
Longinus waren diese Umstände genauso klar wie jedem anderen. Er schüttelte den Kopf. »Ich will dein Pferd aber nicht. Es ist nur so, dass ich als dein Standartenträger dich nicht eher tot sehen möchte, als es unbedingt sein muss.« Der Kavallerieumhang des Thrakers schmiegte sich in nassen Falten um den Rumpf seines Pferdes, und sein vom Regen dunkel gewordenes Haar schlängelte sich unter seinem Helm hervor. Selbst im Nieselregen jedoch besaßen Longinus’ Augen noch immer den Ausdruck eines Falken, und genau diese Schärfe in seinem Blick war es, die ihn von seinen Kampfgenossen abhob.
Vor Longinus’ Verstand hatte Valerius den größten Respekt. »Aber warum sollte ich denn sterben müssen?«, fragte er. »Ist es wegen des Mondes, oder gibt es da noch irgendetwas anderes?«
»Ich weiß nicht. Ich kann diese Dinge nicht auf die Art sehen, wie du
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