Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
dass die Macht der Konzerne immer weiterwächst, müssen wir den Widerstand global organisieren.
F: Sind nicht Autoren wie Sie, die solche Themen sehr erfolg reich in ihren Texten verarbeiten, der Albtraum dieser Konzerne. Beispielsweise wimmelt es in Ihren Romanen von modernen Waffensystemen, die der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Gab es schon dezente Angebote von Seiten der Industrie, die Ihnen das Ende Ihrer Schriftstellerkarriere versüßen wollten?
A: (Lacht) Schön wär’s. Aber im Ernst: Ich glaube nicht, dass ich für diese Jungs ein Albtraum bin. Ganz im Gegenteil: Cyber-Thriller sind gerade bei Leuten aus der Rüstungsindustrie sogar recht beliebt, und man hat mich auch schon als Gast zu einigen Konferenzen eingeladen. Geld ist dabei nicht geflossen, und ich werde weiterhin Bücher veröffentlichen, versprochen!
F: Ihr erster Roman »Daemon« und die Fortsetzung »Darknet« befassen sich vor allem mit dem Thema Künstliche Intelligenz – in der Science Fiction eigentlich ein alter Topos. Aber Ihr Computerdämon basiert offenbar auf einer Technik, die heute schon verfügbar ist. Für alle Nicht-Computerexperten unter unseren Lesern – können Sie uns diesen Dämon etwas näher erläutern?
A: Gerne. Es gibt einen Unterschied zwischen einer voll entwickelten Künstlichen Intelligenz – also eine, die dem menschlichen Intellekt nahe kommt – und einer beschränkten KI. Diese ähnelt mehr einem »Bot« in einem Computerspiel. Eine beschränkte KI hat kein eigenes Bewusstsein und findet von sich aus keine Lösungen für auftretende Probleme. Genau so etwas taucht in meinem Roman auf. Vergessen Sie also das Bild eines »denkenden« Computers wie etwa »Colossus« aus dem gleichnamigen Film. Unter einem »Dämon« versteht man einen Prozess, der im Hintergrund läuft und darauf wartet, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt, um dann aktiv zu werden. In meinem Roman hat ein reicher Spieleentwickler namens Matthew Sobol einen solchen Dämon darauf programmiert, das Internet regelmäßig nach seiner Todesanzeige zu durchsuchen, und als Sobol dann tatsächlich stirbt, legt das Programm los. Es fängt an, Scheinfirmen aufzubauen und menschliche Helfershelfer anzuwerben, um Firmennetzwerke zu infiltrieren und potentielle Feinde auszuschalten. Es sind viele kleine Aufgaben, mit denen der Dämon tausende verschiedene Menschen beauftragt, die nichts voneinander wissen. Damit schafft er eine völlig neuartige, geheime Parallelgesellschaft, die von Mechanismen gesteuert wird, wie wir sie aus Computerspielen kennen: Wer erfolgreich ist, kommt in ein höheres Level und hat einen besseren Zugang zu den Netzressourcen als vorher. Um festzustellen, ob die Aufgaben erfüllt wurden, durchsucht der Dämon das Internet ständig nach den entsprechenden Erfolgsmeldungen.
F: Aber trotz dieser Spielsituation scheint in beiden Romanen das Leben der meisten Protagonisten vorherbestimmt zu sein. Sie folgen gleichsam einem Programm, einer Art Drehbuch, das für sie geschrieben wurde.
A: Ich würde sagen, dass die meisten Charaktere auf den Dämon stoßen, wie er auf sie stößt – weil sie einem Profil entsprechen, das er für seine Zwecke nützlich findet. Sie wählen sich also sozusagen für das dann folgende Programm selber aus, ohne etwas von der Existenz des Dämons zu erfahren. Die Menschen, die ich beschreibe, haben immer noch ihren freien Willen. In den Dienst des Dämons treten sie, weil er ihnen etwas bietet, das sie unbedingt haben wollen, sei es Geld, Macht oder einfach die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Das ist wie in der heutigen Arbeitswelt: Fast alles verläuft mittlerweile in gelenkten Bahnen, wie wir sie aus den stark strukturierten Prozessen der Industrie kennen. Ein gefährlicher Zentralismus greift da um sich. Wenn wir zulassen, dass alles immer einheitlicher und uniformer wird, wird es uns eines Tages auf die Füße fallen.
F: Was ist Matthew Sobol, der den Stein ins Rollen bringt, eigent lich für ein Mensch? Jemand mit guten Absichten, aber ohne jegliche Skrupel, wenn es um das Erreichen seiner Ziele geht?
A: Matthew Sobol ist derjenige, der den Bösewicht spielt, damit wir ihn nicht spielen müssen. Er ist kein Heuchler, der etwa vorgibt, im Recht zu sein oder für Gerechtigkeit zu kämpfen – immerhin ist er für den Tod von Tausenden von Menschen verantwortlich. Aber was er auslöst, ist ein Kampf um die Kontrolle des Netzwerks, das er geschaffen hat. Und wir hoffen natürlich, dass die Guten
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