Das sechste Opfer (German Edition)
folgte der härtere Teil der Arbeit. Denn nun musste ich mein Buch unter die Leute bringen. Ich überlegte lange, wie ich die ganze Sache angehen sollte. Ich musste einen Verlag finden, der das Buch als Fiktion anerkennen und drucken würde, so dass die Zwerge keinen Verdacht schöpfen konnten. Denn sonst würden die mehr als dreihundert Seiten niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Unter meinem alten Namen wäre es gegangen, da besaß ich sogar etwas Anerkennung als Autor. Aber momentan hatte ich noch keine Identität, so dass ich mich auf keinen Fall an einen Verlag wenden konnte. Ich brauchte erneut Hilfe.
Lange überlegte ich hin und her, wie ich es anstellen sollte. Doch ich kam immer wieder zum selben Ergebnis: Der Einzige, der mir helfen konnte, war Dr. Janosch.
Als ich in den frühen Morgenstunden des kommenden Tages nach einem kurzen Klopfen sein Büro betrat, hatte ich das Gefühl, Dr. Janosch befände sich kurz vor einem Herzinfarkt, als er mich sah. Er wurde kreidebleich, schnappte nach Luft und fasste sich an die Brust.
»Ich bin's, Dr. Janosch. Ich bin kein Geist.«
Er atmete heftig und versuchte, sich zu fangen, doch antworten konnte er noch nicht.
»Ich lebe noch, es tut mir leid«, fügte ich also hinzu, während er sich langsam von dem Schock erholte.
»Es tut Ihnen leid, dass Sie noch leben? Sind Sie verrückt?«
Er sprang auf und stürmte auf mich zu, um mich zu umarmen. »Mein Gott, haben Sie mir einen Schreck eingejagt! Sie haben Ihren Tod nur vorgetäuscht, ich habe mir schon fast so was gedacht. Klasse!«
Er war echt begeistert, was mich lächeln ließ. »Es ging nicht anders.«
»Ich dachte mir, der Peter Mustermann, den ich kenne, würde niemals so verbrennen, dafür ist der viel zu schlau. Und keine Leiche mit einem Loch in der Brust kann noch gemütlich eine Zigarette rauchen.« Er zwinkerte mir zu. »Aber die Polizei wusste ja nicht, wie lange sie noch gelebt haben. Deshalb war der Zeitpunkt des Todes ziemlich unwichtig. Ich möchte allerdings lieber nicht wissen, woher Sie die Leiche hatten.« Er schlug mir mit der Hand freundschaftlich auf die Schulter und lächelte.
»Danke. Haben Sie mich seziert?«
»Nein, habe ich nicht, aber ich habe den Bericht gelesen. Die Kollegen waren glücklicherweise nicht sehr genau, sie haben nicht einmal einen DNA-Test gemacht. Die waren froh, dass Sie endlich von der Straße sind. Und wie geht's nun weiter?«
»Deshalb bin ich hier. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Wieder ein Bein zu flicken oder so etwas?«
»Nein. Ich habe das hier.«
Ich gab ihm das Manuskript des Buches, das ich in einem Copyshop ausgedruckt hatte, und eine Liste mit Verlagen, die ich herausgesucht hatte. Er wirkte erstaunt.
»Was ist das?«
»Das ist meine Geschichte, das, was mir passiert ist. Die ganzen Zusammenhänge und Hintergründe. Ich habe es als Roman verfasst, damit man es gut als fiktive Geschichte verkaufen kann und der Druck nicht verhindert wird von denen, die nicht wollen, dass meine Geschichte bekannt wird.«
»Und Sie wollen, dass ich das für Sie bei einem Verlag unterbringe?«
»Ja. Ich habe Ihnen die Verlage rausgesucht, die nicht zur Kurmann-Gruppe gehören, was nicht einfach war. Da blieb nicht mehr viel Auswahl.«
»Kurmann-Gruppe? Was ist mit der?«
»Das wollen Sie lieber nicht wissen. Würden Sie das tun?«
»Natürlich.«
Sein Lächeln wurde vorsichtiger. Er ahnte wohl, dass damit eine Menge Ärger auf ihn zukommen würde. Es tat mir leid, dass ich ihn in Schwierigkeiten brachte.
»Nennen Sie nicht Ihren richtigen Namen, sondern nehmen Sie ein Pseudonym, damit Ihnen nichts passiert. Bitte.«
Er runzelte die Stirn. »Okay. Welches?«
»Das ist mir egal. Irgendetwas, damit Sie nicht sofort ins Kreuzfeuer geraten.«
«Dann lass ich mir etwas einfallen. Und was werden Sie machen?«
»Ich werde mich mal ein bisschen in die Unterwelt begeben, um eine neue Identität zu bekommen. Falscher Ausweis und so. Was dann wird, weiß ich noch nicht.«
Ich kramte in meiner Hosentasche nach dem Umschlag, den ich für meinen Tod erhalten hatte, und holte einhundert Euro heraus, die ich ihm gab. Er lehnte es ab, das Geld zu nehmen, aber ich legte den Schein nach langem Ringen auf den Tisch, wo er ihn schließlich liegen ließ. Dann sah er mich nachdenklich an.
»Sie wollen Ihre Frau nicht einweihen?«
»Nein. Es geht nicht. Es wäre zu gefährlich für sie.«
»Und wenn das Buch dann raus ist und jeder die Wahrheit weiß?«
»Ich bin tot, das ist der einzige Grund, warum ich
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