Das sechste Opfer (German Edition)
hatte. Ich räumte den Schutt über dem verwesenden Körper zur Seite, wobei mir ziemlich übel wurde. Dann suchte ich Papier und Pappe in den Kellerräumen zusammen, die ich neben die Leiche legte. Unterwegs hatte ich Zigaretten und Streichhölzer und ein paar billige Sachen zum Anziehen gekauft, die mir bei meinem Plan helfen sollten.
Als erstes musste ich die Leiche so präparieren, dass sie mich würdig vertrat. Ich schoss mit Manuels Beretta, die ich eingesteckt hatte, in den Oberschenkel des Toten, dann schlug ich ihm mit dem Griff die Zähne aus, wie ich es in zahlreichen Filmen gesehen hatte, und was sich in Wirklichkeit als zum Kotzen herausstellte.
Dann zog ich ihm meine Kapuzenjacke und meine Hose an, zündete eine Zigarette an und steckte sie ihm zwischen die Lippen. Das Papier drapierte ich so, dass es unbedingt Feuer fangen musste. Um sicher zu gehen, brannte ich ein Stück Papier ebenfalls mit dem glühenden Ende der Zigarette an. Dann zog ich die Sachen an, die ich heute gekauft hatte, sammelte sowohl Patronenhülse als auch Patrone ein, kletterte aus dem Keller, wo ich endlich wieder richtig atmen konnte, und entfernte mich schnellen Schritts.
Das Licht der Flammen erleuchtete nur zögerlich die Dunkelheit des Kellers, doch die Leiche hatte Feuer gefangen. Mein altes Ich brannte.
Ich ging ein paar Schritte die Straße hinunter und wollte gerade die Polizei rufen, als ein Knall den Boden unter meinen Füßen erschütterte. Die Fenster des Hauses, in dem die Leiche brannte, barsten mit großem Getöse und aus den leeren Fensterhöhlen drangen Staub und Rauchwolken.
Eine gewaltige Druckwelle schleuderte mich an das Haus gegenüber, wo ich mich auf den Boden fallen ließ und mir an den Kopf fasste. In meinen Ohren klingelte es.
Der Keller mit der Leiche brannte jetzt lichterloh, wie auch der erste Stock. Offenbar war die Gasleitung noch aktiv gewesen und nun explodiert.
Ich schüttelte den Kopf, um wieder einigermaßen klar denken zu können, versuchte, das Klingeln in meinen Ohren zu ignorieren und so schnell wie möglich von dem Haus wegzukommen.
Damit hatte sich der Anruf bei der Polizei erübrigt. Dafür nahm ich Manuels Handy, sah mir die Nummer an, die er als letztes gewählt hatte, und tippte diese Zahlen in Carls Handy, dessen Akku leider schon gefährlich herunter war. Aber noch funktionierte es.
Als sich am anderen Ende jemand mit »Ja« meldete, sagte ich kurz, dass sich das Problem Peter Mustermann nun ein für alle Male erledigt hätte und dass Carl Meyer nun sein Geld wolle.
Der Fremde am anderen Ende sagte nur kurz »okay«, dann legte er auf.
Ich wollte ebenfalls auflegen, doch in diesem Moment verabschiedete sich der Akku des Handys.
Ich verließ ich den Tatort und hoffte, dass sie das Geld in das Schließfach legen würden, denn einen Anruf oder eine SMS konnte ich nun nicht mehr empfangen.
Am nächsten Tag erblickte ich in der Zeitung die große Meldung, dass Peter Mustermann, der gefährliche Verbrecher, tot sei und die Nation nun aufatmen könne. Dann ging ich zum Schließfach und sah hinein. Ein Briefumschlag lag darin, der sich angenehm dick anfühlte.
Ich nahm ihn heraus und steckte ihn ein. Dann verließ ich das Postamt und verkroch mich in eine ruhige Ecke, wo ich den Umschlag öffnete.
Es waren wirklich fünftausend Euro darin. Das Geld für meinen Tod.
Ein feines Kribbeln zog meinen Rücken hinunter. Ich hatte sie ausgetrickst. Sie waren doch nicht allmächtig. Diese Erkenntnis war in diesem Moment so überwältigend und unfassbar zugleich, dass ich erwartete, dass das Geld jeden Moment zu Staub zerrinnen und Manuel wieder vor mir auftauchen und mich auslachen und dann kaltblütig abknallen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Das Geld blieb angenehm kühl in meiner Hand und ich saß allein in einem Hauseingang. Ich war tot. Damit würde die Polizei aufhören, nach mir zu suchen, die Sieben Zwerge würden sich in Sicherheit wiegen, und ich konnte wieder frei durch die Stadt laufen.
Mein altes Leben war damit allerdings genauso tot wie meine Identität, das war der schmerzhafte Teil meiner Aktion, aber damit musste ich irgendwie klarkommen. Noch schien es gar nicht richtig in mein Bewusstsein gedrungen sein, was mein Tod für Konsequenzen für mich und meine Angehörigen hatte, denn noch fühlte ich mich erstaunlich glücklich darüber, die Sieben Zwerge ausgetrickst zu haben.
Doch das Hochgefühl verschwand nach und nach im Laufe der Nacht.
Ich dachte an Nicole, die ich
Weitere Kostenlose Bücher