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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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von seinen Lämpchen angeknipst. Aber die Helligkeit schien sein Hörvermögen zu dämpfen, er knipste alles wieder aus. Auf dem Sprung, hinüberzugehen, horchte er gegen den Lagereingang in seiner quälenden, schon ums Haar erfüllten Hoffnung.
     
    In den letzten Sekunden war der Lärm gewachsen, der die Gefangeneneinlieferung begleitete. Er schien jetzt schon nicht mehr von einzelnen Menschen zu kommen, nicht einmal mehr von einer Horde, die zusammen einer äußeren, wenn auch fragwürdigen Befehlsgewalt untersteht. Eine Meute bricht aus - aber jedes allein auf eigene Faust in die grenzenlose Wildnis. Jetzt ist man schon auf den Ton gekommen, er vergeht schon, der Augenblick ist schon übersprungen. Blut ist auch schon gekostet, und wie alles auf Erden, hält auch dieser Geschmack nicht ganz, was er versprochen hat. Das Gebell wird schon heiser.
     
    Fahrenberg machte eine ganz menschliche Bewegung. Er legte die Hand aufs Herz. Sein Unterkiefer war abgerutscht. Sein Gesicht war schlaff vor Enttäuschung. Für seine Ohren war das alles eine vernünftige, genau bestimmbare Folge von Tönen. Draußen ertönten neue Kommandos. Fahrenberg riß sich zusammen. Er schaltete ein paar Lämpchen an. Er drückte auf Knöpfe und stöpselte.
     
    Bunsen, als er Minuten später über den Tanzplatz ging, hörte Fahrenberg durch die geschlossene Tür wie einen Besessenen toben. Zillich hatte gerade Meldung erstattet: Acht Neueinlieferungen. Lauter Leute von Opel-Rüsselsheim, die gegen irgend etwas gebockt hatten. Zu einer kurzen Kur, die ihnen nachher ihre neuen Akkordsätze besser bekömmlich machte.
     
    Zillich erwartete und ertrug einen neuen Schwall von Beschimpfungen mit geschlossenem, finsterem Gesicht. Das Getobe, mit dem sich sein Herr gewöhnlich Luft verschaffte, blies ihn nicht um. Diesmal aber enthielt es kein einziges Wörtchen, keine noch so versteckte Anspielung auf die alten Zeiten, auf die Zusammengehörigkeit. Er wartete verzweifelt, den großen Kopf auf die Brust gedrückt. Zillich, der mit dem feinsten Gefühl alle Regungen seines Herrn verfolgte – ja, sein Gefühl war nur dazu verwertet, alle Regungen seines Herrn zu verfolgen –, spürte gut, daß sich Fahrenberg ihm gegenüber im Laufe der Woche verändert hatte: denn am Montag nach dem Ausbruch hatte es zwischen ihnen noch eine Art gemeinsamen Unglücks gegeben. In den folgenden Tagen mußte ihn Fahrenberg bereits ausgestoßen haben. Würde ihn Fahrenberg ganz vergessen? Für immer? Wenn es wahr war, was man erzählte, daß der Kommandant versetzt werden sollte, was geschah dann mit ihm – Zillich? Wird ihn Fahrenberg wieder dahin holen, wohin man ihn selbst schickt? Oder muß er allein in Westhofen bleiben?
     
    Fahrenbergs eng zusammenliegende Augen – keineswegs furchterregende Augen, keineswegs von der Natur bestimmt, in Abgründe zu blicken, sondern nur in verstopfte Röhren und Trichter – sahen Zillich kalt an, sogar mit Haß. Fahrenberg dachte jetzt wirklich daran, daß dieser Klotz die Hauptschuld trug. Dieser Gedanke war im Lauf der Woche öfters durch seinen Kopf geflogen, jetzt hakte er fest. Zillich benutzte die Atempause zu einem Vorstoß, zu einer Art Vertrauensprobe. »Herr Kommandant – ich erbitte für folgende Umbesetzung die Genehmigung – was die Auswechslung der Begleitmannschaften der Besonderen Kolonne angeht …«
     
    Bunsen hörte sich jetzt auch das zweite Getobe von außen an. Zu diesem Spaß wird man sowieso nicht mehr lange Gelegenheit haben. Die Kommission, die die Vorgänge während und nach der Flucht untersucht, hat zwar nach außen noch nichts verlautet. In der SS aber sagt man laut, daß der Alte keine Woche mehr bleiben wird.
     
    Zweite Atempause. Bunsen trat ein, nur mit den Augen lächelnd. Zillich trat ab. Er sah aus wie ein Stier, dem man die Hörner gestutzt hat. Fahrenberg sagte im Tone eines Mannes, dessen Befehlsgewalt ihrem Umfang und ihrer Dauer nach etwas Unumstößliches ist. »Die Neuankömmlinge unterliegen sämtlichen Strafmaßnahmen, die seit dem Fluchttag über sämtliche Häftlinge verhängt sind.« Er zählte sie auf im selben Ton. Sie wurden bei jedem Aufzählen schärfer. Dabei wird mancher von den Kerlen, der jetzt schon schlappmacht, platt liegenbleiben, dachte Bunsen. Der tobt sich nochmals ganz gut aus.
     
    Zillich war in die Kantine gegangen. Der Kaffee wurde schon ausgegeben. Zillich setzte sich gedankenlos auf seinen eigenen Platz an der Schmalseite des Tisches. Seit ihn

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