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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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verlorengegangen. Jetzt bin ich abgehängt, und ich kann dir nicht helfen. Hätt ich so was dem Röder sagen sollen, wo er doch Vertrauen zu mir hat?
     
    Wie ist das nur gekommen, daß ich plötzlich allein bin und abgehängt. Hab den Anschluß nicht mehr gefunden nach den vielen Verhaftungen, als die Verbindungen nach und nach durchrissen. Oder hab ich den Anschluß gar nicht so ernst mehr gesucht, so wie man das sucht, ohne das man nicht leben und nicht sterben kann?
     
    Aber so schlimm kann’s doch auch wieder nicht mit mir geworden sein – so schlimm nicht. So ganz stur und stumpf bin ich doch nicht geworden, und ich gehör auch noch immer dazu, denn der Paul hat mich ja herausgefunden. Ich finde auch meine Leute wieder. Ich finde meinen Anschluß. Selbst ohne Anschluß muß ich ihm helfen in dieser Sache. Man kann nicht immer warten, man kann nicht immer fragen.
     
    Ich war nur damals müd, wie alles schiefging. Man sagt sich: Wenn es schiefgeht, das heißt bestenfalls sechs, acht Jahre sitzen und schlimmstenfalls Kopf ab. Da bekommt man dann eben zur Antwort: Was du da von mir willst, Fiedler, dafür riskier ich doch mein Leben nicht! Und plötzlich hast du das auch geantwortet. Das ist mir damals auch auf die Nieren gegangen, wie die Leitung aufflog. Ja, damals hab ich aufgehört, als die Leitung aufflog, und damals gerade ist auch der Georg Heisler mit aufgeflogen.
     
     
     

6
     
    »Das ist jetzt unsere Henkersmahlzeit«, sagte Ernst, »wenn Ihr Herr Messer das Stück Land hinter dem Wäldchen nicht im Frühjahr an den Prokaski verkauft hätt, müßt ich jetzt nicht mit seinen Schafen auf fremden Grund und Boden.« – »Na, so weit weg ist’s ja nicht«, sagte Eugenie, »aus dem Schlafzimmerfenster kann ich dir ja zuwinken.« – »Scheiden ist scheiden«, sagte Ernst, »setzen Sie sich doch noch en bißchen zu mir, zu meinem letzten Kartoffelpuffer.« – »Wo soll ich dazu die Zeit hernehmen?« sagte Eugenie. Aber sie setzte sich doch schräg auf das Fensterbrett, mit dem Kopf im Freien, mit den Beinen in der Küche. »Ich muß backen und vorkochen, morgen kommen unsere drei Buben, der Max von den Sechsundsechzigern hat seinen ersten Urlaub, der Hansel kommt von der Schule und Josef, das Früchtchen, kommt auch mal wieder. Sicher will er Geld.« – »Sagen Sie mal, Eugenie, Ihr Bübchen, kommt das auch als mal rauf?« – »Was für en Bübchen?« sagte Eugenie kühl. »Nein, nein, der hat sonntags nie frei, mein Robert, der lernt’s Hotelfach in Wiesbaden.« – »Das war für mich gar nichts«, sagte Ernst. – »Der macht seinen Weg«, sagte Eugenie zärtlich. »Das liegt ihm im Blut, der Umgang mit den Gästen.« – »Kommt er als mal hier rauf?« – » Der Robert, wozu ? Der Messer hätt vielleicht nichts dagegen. Der Hansel ist nie da, und der Max ist brav, aber der Josef. – Wenn der seine Schnauze laufen ließe und ich ihm drüberfahren würd, das gab Krach, und das will ich nicht.« – »Warum soll er denn seine Schnauze laufen lassen?« fing Ernst wieder an, weil er die Eugenie zurückhalten wollte, die schon seine leeren Teller, sein Glas und das Besteck ineinanderschob. »Der Vater von dem Bub ist doch kein Jud gewesen.« – »Nein, zum Glück bloß en Franzos«, sagte die Eugenie. Sie war doch aufgestanden. »Also, auf Wiedersehen, Ernst, pfeif doch mal deiner Nelli, daß ich der auch noch adieu sag. Also, adieu, Nelli. Was bist du denn für ein liebes Hundelchen. Adieu, Ernst!«
     
    Sie setzte sich doch noch mal schräg auf das Fensterbrettchen, um das Abziehen der Herde mit anzusehen. Ernst dreht jetzt dem Haus den Rücken zu. Er hat sein Halstuch lose über den Nacken gelegt, ein Bein vorgestellt, einen Arm in die Hüfte gestemmt. Mit scharfblickenden Augen unter gesenkten Lidern, wie ein Heerführer, der seine Scharen umgruppiert, und vielleicht dadurch die ganze Welt, gibt er kurze, halblaute Befehle von sich, die das Hündchen bald da-, bald dorthin schnellen machen, bis die Herde ein festes, längliches Wölkchen ist, das sich in das Fichtenwäldchen hineinschiebt.
     
    Wie jetzt die Wiese leer ist! Der Eugenie zieht es das Herz zusammen. Zwar, an Ernst liegt ihr nichts. Die drei Tage, die er hier weidete, das gab nur Arbeit und dummes Geschwätz. Aber wie sie jetzt alle das Wäldchen verschluckt hat und sie kommen vielleicht jetzt schon auf der anderen Seite heraus, aber die Wiese bleibt leer bis nächstes Jahr! Das erinnert einen an alles mögliche, was an einem

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