Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
froren Serenas
Blicke ein und ihr Körper erstarrte wie eine Statue. Sie hatte es sich nicht
eingebildet. Sie schwebte wirklich und ihre Füße, so glaubte sie, hoben vom
Boden ab und nur mit Mühe konnte sie sich an der Reling festhalten. Das Schiff
glitt durch die Luft und kam den spitzen Steinhängen gefährlich nahe. Es war
ein Moment der makaberen Erleichterung, denn sie wusste, dass sie diesen
Aufprall niemals überleben würde, doch sie würde sicherlich auch keinen Schmerz
spüren.
Ein
schmerzloses Dahinscheiden, war das nicht der Wunsch eines jeden Menschen?
Doch
im Anbetracht des nahenden Endes hoffte sie noch einmal die Gesichter ihrer
Eltern zu sehen, die leuchtenden Augen der liebreizenden Helia, die auf der
anderen Seite mit ihren Eltern im Elysium auf sie warten würde oder wenigstens
das Ebenbild des kleinen Lisias. Sie wünschte sich noch ein letztes Mal sein
strahlendes Lächeln zu sehen, seine sanfte Stimme zu hören, die ihr Sicherheit
versprach und die Gewissheit gab, dass ihr letzter Gedanke ein schöner sein
würde, doch sie sah nichts von alle dem. Wieder einmal musste sie enttäuscht
der Realität entgegenblicken. Ihre Eltern waren nur noch Knochen in einem Grab
hinter ihrer alten Hütte, Helia war nur noch eine schmerzvolle Erinnerung und
eine Aschewolke, die sich durch den Wind vielleicht noch an einigen Grashalmen
auf dem Olymp festgesetzt hatte und nicht von dieser Welt ablassen konnte und
Lisias dachte sicherlich nicht einmal mehr an sie. Sie war alleine, jetzt, in
diesem Moment, wie früher auch. Sie sah nur sich selbst in den endlosen Weiten
des ewigen Nichts, allein gelassen in der Dunkelheit ihrer Existenz mit einem
unheimlichen blauen Leuchten in ihren Augen.
Dumpf
dröhnte das leise Heulen des Windes in ihren Ohren wieder. Der Boden unter ihr
war kalt und nass und sie spürte Grashalme an ihrer Haut streifen, doch etwas
war anders als sonst. Sie konnte sich nicht rühren. Sie spürte nicht einmal
ihre Finger oder ihre Zehen. Die Kälte hatte ihren Körper längst schon
eingenommen und gelähmt, der kalte Windhauch fühlte sich wie Schmirgelpapier
auf ihrer Haut an und ließ sie innerlich zusammenfahren. Nur ihre Augen waren
noch fähig sich zu rühren. So sah sie hilfesuchend umher, doch nicht lange,
denn sie erstarrte sofort wieder.
Ihre
Blicke waren starr auf sie gerichtet. Timaios, Callisto, Helios, Eos, selbst
Helia war da, alle sahen sie an. Wie Geister dem Tod entronnen. Teilnahmslos, gefühllos
blickten sie auf ihren leblosen Körper hinab. Das Blut tränkte deren Kleidung,
deren Blut. Sie hatte sie alle auf dem Gewissen.
Anschuldigend
genossen sie den Moment, in dem sie ihren letzten Atemzug tat, in dem sich ihre
Augen zum letzten Mal öffneten. Es zog sich dahin, doch Serena spürte, wie der
letzte Funken des menschlichen Lebens nach und nach aus ihrer Haut fuhr und nur
die erdrückende Kälte zurückließ. Das Gefühl zu sterben war noch nie
realistischer und es machte ihr Angst. Es war ein innerliches Zittern, das
ihren ganzen Körper erfüllte. Dieses beklemmende Gefühl hatte sie schon lange
nicht mehr verspürt, nur einmal vor langer Zeit, als sie in einer ebenso
aussichtslosen Situation wie jetzt war, in einer Nacht, in der sie nur durch
Glück nicht den Tod fand. Sie überlebte damals, nur um jetzt zu sterben.
Das
tiefe Läuten erfüllte sie und drohte ihr das Gehör zu zerreißen, doch diesmal
läutete der Gong nicht für die sterbenden Bewohner ihres Dorfes …
„Du
bist die Nächste!“
Stimmen
hallten in ihren dröhnenden Ohren wieder. Erschöpft öffnete sie die Augen.
Der
Geschmack von Dreck lag auf ihrer Zunge und brachte sie zum Würgen. Sie
blinzelte, doch erst nach und nach klärte sich ihr verschwommener Blick und sie
konnte die Silhouette vor sich als Darius identifizieren, der versuchte sie
wachzurütteln.
Der
Schmerz eines harten Aufpralls saß noch immer in ihren Knochen und der Schock
hinderte sie an raschen Bewegungen. Die Erkenntnis, dass sie das Unglück
überlebt hatte, kam jedoch schnell.
Sie
blickte umher und ließ Darius in diesem Moment der Erleichterung völlig außer
Acht. Sie waren umgeben von einem blätterlosen Wald, einige hochgewachsene
Tannen und Kiefern durchbrachen jedoch das triste braune Gebilde dieser
Landschaft und setzten grüne Akzente. Holzbretter lagen auf dem erdigen Boden verstreut
und ein weißes Tuch hatte sich in den Ästen über ihnen verfangen, ganz ohne
Frage eines der
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