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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Wen benutzt du noch für deine Experimente, du Schwein? »Und der Öffentlichkeit machen Sie weis, dass Sie die Kinder zum Erholungsurlaub einladen. Schöner Urlaub.« Verdammt, zu sarkastisch. Er musste sich zusammenreißen, durfte nicht die Beherrschung verlieren, musste ruhig und gelassen wirken.
    Das Wichtigste war: geduldig zuhören und einlullen.
    »Sicher ist das keine Erholung«, sagte Lenz. »Aber diese Kinder müssen sich nicht erholen. Sie müssen geheilt werden. Faszinierend, diese kleinen alten jungen Menschen. Sie werden schon alt geboren. Nicht mal ein Molekularbiologe kann die Zelle eines an Progeria leidenden Neugeborenen von der Zelle eines Neunzigjährigen unterscheiden. Die kleinen Kappen sind von Geburt an kurz. Kurze Telomeren gleich kurzes Leben.«
    »Was machen Sie mit den Kindern?«, fragte Ben. Er sah die Glasbehälter im Keller vor sich.
    Dr. Reisinger, Miriam Bateman, Arnold Carr und die anderen unterhielten sich angeregt, während sie alle nach und nach den riesigen Saal verließen.
    »Diese kleinen Kappen sind wie kleine Kilometerzähler. Oder Zeitmesser. Jeder menschliche Körper verfügt über etwa einhundert Billionen Zellen, von denen jede einzelne zweiundneunzig Telomeren besitzt. Das heißt, wir haben etwa zehn Billiarden kleiner Uhren in uns, die dem Körper sagen, wann er den Betrieb einzustellen hat. Unser Tod ist quasi vorprogrammiert.«
    Die Erregung war Lenz jetzt deutlich anzumerken. »Was, wenn wir in der Lage wären, die Uhr anzuhalten oder gar zurückzustellen? Das war der Punkt. Bestimmte Gehirnzellen zum Beispiel produzieren ein Enzym, das die eigenen Telomeren repariert. Obwohl alle menschlichen Zellen diese Fähigkeit besitzen, wird sie aus irgendeinem Grund nicht genutzt. Sie ist einfach nicht eingeschaltet. Warum legen wir also den Schalter nicht um? Warum sorgen wir nicht dafür, dass die Uhren endlos ticken? So simpel sich das anhört, so schwierig war die Realisierung. Trotz der unermesslichen Geldmittel und der Brillanz unserer Wissenschaftler waren noch Jahrzehnte und mehrere andere wissenschaftliche Fortschritte nötig, wie zum Beispiel die Aufschlüsselung
der einzelnen Gene, um schließlich zum Erfolg zu kommen.«
    Mussten deshalb die Kinder sterben?
    Was für eine Ironie, dachte Ben. Menschen mussten sterben, damit andere über ihre natürliche Lebensspanne hinaus leben konnten.
    Halt ihn auf Trab. Behalt das Ziel im Auge.
    »Wann kam der Durchbruch?«, fragte Ben.
    »Etwa vor fünfzehn, zwanzig Jahren.«
    »Und warum sind andere nicht auch darauf gekommen?«
    »Wir hatten einen entscheidenden Vorteil.«
    »Unbegrenzte Mittel.« Dank Max Hartman, dachte Ben.
    »Sicher, das spielte auch eine Rolle. Plus der Tatsache, dass wir praktisch seit den Vierzigern nonstop daran gearbeitet haben. Aber der entscheidende Punkt war ein anderer. Wir haben am Menschen experimentiert. Was natürlich in jedem >zivilisierten< Land der Welt verboten ist. Aber wie weit kommt man schon, wenn man auf Ratten oder Fruchtfliegen angewiesen ist? Die ersten Fortschritte haben wir erzielt, als wir Experimente mit an Progeria leidenden Kindern durchführen konnten. Diese Krankheit existiert in der Tierwelt nicht. Und wir benutzen die Kinder weiter, um unsere Kenntnisse über die Bewegungen der beteiligten Moleküle zu verfeinern. Eines Tages werden wir sie nicht mehr brauchen. Aber noch ist die Arbeit nicht getan.«
    »Menschenversuche«, sagte Ben, der seinen Ekel kaum verbergen konnte. Es gab keinen Unterschied zwischen Jürgen Lenz und Gerhard Lenz. Für beide waren kranke Kinder, Flüchtlinge oder Lagerinsassen nichts weiter als Laborratten. »Die Flüchtlingskinder in den Zelten da draußen, wie nennen Sie das?«, fragte Ben. »Humanitäre Hilfsaktion?« Er erinnerte sich an die Worte von Georges Chardin und sagte sie laut: »Die Wehrlosen werden geschlachtet.«
    Lenz starrte ihn wütend an. »So nennen es einige der angeli rebelli, ich weiß. Das ist aufrührerische Propaganda, die nur den rationalen Diskurs erschwert. Eins stimmt allerdings: Einige müssen sterben, damit andere leben können. Ein zweifellos beunruhigender Gedanke. Aber lassen wir die Gefühlsduselei doch mal für eine Sekunde beiseite und schauen uns die brutale Realität
an. Diese Kinder wären entweder dem Krieg oder den Krankheiten der Armut zum Opfer gefallen. Wofür? Stattdessen sind sie Erlöser. Sie leisten einen Beitrag zur Veränderung der Welt. Was ist ethischer: Die Kinder durch Bomben auf ihre

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