Das silberne Schiff - [Roman]
reichte nur bis zu den Grenzen der Schule. Nichts Lebendes, nichts anderes war in diesem Raum, nur der Raum selbst. Ich ließ diesen Faden los und griff nach dem nächsten.
Doch ich konnte nicht darauf zugreifen.
Ich holte mir die Empfindung des physikalischen Raums zurück ins Bewusstsein, und nun wurde der nächste Begriff zugänglich – Temperatur . Er lag über den Räumen und zeigte mir an, wie warm oder kalt es war. War das Ganze also eine Prüfung? Ich experimentierte. Wenn ich irgendeinen Faden fallen ließ, verlor ich auch die anderen. Ich nahm immer neue Daten auf. Meine eigene Körpertemperatur. Die Frequenz meines Herzschlags. Die Körperwärme eines anderen Studenten in einem Raum in der Nähe. Zehn weitere Personen in diesem Gebäude. Ein Raum am anderen Ende, wo eine Besprechung stattfand. Die Identitäten der Teilnehmer waren für mich bedeutungslos, aber ich merkte mir die Namen.
Dem Raum schien es gleichgültig zu sein, in welcher Reihenfolge ich mich den Fäden widmete. Er ließ nicht zu, dass ich allgemeine Fragen stellte, aber ich hielt nach allem Ausschau, das meiner Ansicht nach eine Spur zu meinem Vater, zu Alicia oder zu Fremont sein konnte.
Nichts.
Ich zog weitere Kreise und nahm die Fäden einen nach dem anderen auf. Das Konstrukt begann sich zu verwirren, die Informationsfäden bündelten sich und waren nicht länger unterscheidbar. Der Raum erwartete offenbar von mir, dass ich die Daten einzeln und linear auslas, dass ich die Fäden voneinander getrennt hielt und dennoch allen folgte.
Leichter zu verstehen als zu tun.
Schweiß tropfte mir von der Stirn, als ich mir größere Mühe gab. Ich verdrängte die Ablenkung und konzentrierte mich darauf, wie die Daten und ich zusammenhingen. Es erinnerte mich daran, wie ich das Schiff geflogen hatte – ein körperliches, instinktives Bedürfnis, das erfüllt wurde.
Ich fand die zwei Gebäude neben unserem. Die geparkten Gleiter.
Mein Magen verkrampfte sich. Ich hielt inne, versuchte den Schmerz wegzuatmen, während ich es kaum schaffte, den Kontakt zu allen Fäden zu halten. Ich griff nach einem weiteren, und plötzlich entglitten mir alle.
Klein, leer und beraubt – so fühlte ich mich.
Ein Blinzeln in der Dunkelheit. Mein Atem klang laut in dem winzigen Raum, fast krächzend. Ich hörte meinen Herzschlag. Ich schloss wieder die Augen, griff erneut nach dem goldenen Faden und begann von vorn.
Ich machte weiter, bis mein Körper federleicht war und von doppelt so vielen Fäden erfüllt war. Mein Magen schien einfach nur leer und verkrampft zu sein, es war keine tatsächliche Übelkeit. Ich konnte die Umgebung dieses Gebäudes und einiger benachbarten Bauten spüren – Pflanzen, Menschen, Bewegungen. Ich erinnerte mich an das erste Gespräch mit Marcus im Garten und zoomte einen Grashalm heran, um alle darüber verfügbaren Daten zu erfassen. Fünf Zentimeter hoch, an diesem Vormittag nanogestutzt, gesund. Dann erweiterte ich meinen Blickwinkel wieder und nahm die gesamte Universität in mich auf.
Ich hörte mich selbst vor Freude lachen.
Das Lachen erschütterte meinen Körper, und die Fäden entglitten mir. Diesmal konnte ich die Hälfte von ihnen halten und konzentrierte mich erneut. Wie auch immer der Raum funktionierte, er half mir, indem die Informationen verfügbar blieben. Ich kam mir riesig vor – so groß wie die Räume, deren Daten ich nun erfasste.
Mein Ich war gewachsen.
Ich atmete aus und ließ behutsam alles los, trennte mich vorsichtig von den Daten. Ich setzte mich auf, rieb mir die Augen und probierte es wieder. Diesmal hatte ich die Daten absichtlich losgelassen, und ich spürte immer noch ein großes Potenzial in mir. Ich streckte mich und griff nach meinen Zehen.
Die Stimme des Raumes meldete sich zurück. »Bist du fertig?«
Es war zu dunkel, um mein Chronometer sehen zu können. »Wie lange war ich jetzt hier?«
»Vierzig Minuten. Zwanzig sind noch übrig.«
»Dann würde ich gern weitermachen.«
»Dann mach weiter.«
Ich streckte mich erneut auf dem weichen Boden im dunklen Raum aus. Nichts geschah. Nur ich, mein Atem, mein Herzschlag. Die warme Leblosigkeit des Raumes.
Dann: »Nimm diesen Faden auf.«
Als ich die Augen schloss, sah ich keinen goldenen, sondern einen silbernen Faden. Der erste Begriff war Silberheim – nicht mehr und nicht weniger. Neugierig öffnete ich ihn. Diesmal war der erste Punkt von mehreren Verlinkungen umgeben. Schöpfung. Genetik. Wirtschaft. Ich arbeitete mich
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