Das Skandalbett (II)
In voller Lautstärke drangen die Musik und der Lärm nach draußen und trafen Ingers Trommelfell mit unverminderter Wucht. Es war eine unsortierte Mischung von Gekreisch, Gelächter, Schreien, fröhlichem Rufen und geilem Gestöhn.
Jetzt hatte auch Annette ihren Mantel abgelegt, und sie gingen zusammen ins Zimmer. Dort war es so eng, dass sie dicht an der Wand entlanggehen mussten, als sie Bernt zu einer Ecke folgten.
Während sie sich bis dorthin durchkämpften, ließ Inger ihren Blick in dem großen Raum umherwandern. Er war ziemlich frei von Möbeln bis auf eine Ecke, in der man zwei alte Ledersessel untergebracht hatte.
Direkt neben der kleinen Sitzgruppe entdeckte Inger eine Treppe, und als sie nach oben blickte, sah sie, dass an drei Wänden des Raums eine Empore entlanglief.
Dort oben war kein Licht zu sehen, aber sie meinte ganz kurz einen Arm entdeckt zu haben, der sich bewegte, und sie erriet, dass sich mindestens ein Pärchen dorthin verzogen hatte, um sich ein kleines Schäferstündchen zu gönnen.
Schließlich kamen sie in einen Alkoven, der bis auf einen jungen Mann mit lockigem braunen Haar leer war.
Er saß da mutterseelenallein auf dem Fußboden und ließ seinen benebelten Blick über die Batterie von Flaschen gleiten, die er vor sich aufgebaut hatte. Dann und wann nahm er eine von ihnen hoch, goss einen Schluck in einen Sektkelch und trank ihn aus. Nach etlichem Schütteln und Grimassieren nahm er dann die nächste Flasche in die Hand und wiederholte die Prozedur.
Als Inger und Annette eintraten, sah er auf, aber nachdem er den Kopf ein paar Mal hin und her geworfen hatte, ohne seinen Blick fest auf die beiden Mädchen richten zu können, gab er es auf und ließ die Kinnlade auf die Brust sinken. Bernt lachte und sprang hinzu, um dem armen Burschen zu helfen.
»So wird’s immer mit ihm, wenn er Schnaps in die Finger kriegt«, sagte Bernt und schob seine Hände unter die Arme des fast besinnungslosen Knaben. »Wartet einen Augenblick auf mich, dann will ich das Bürschchen erst mal ins Bett bringen.«
Er fasste ordentlich zu und zog den Betrunkenen mit einem kräftigen Ruck so weit hoch, dass er ihn wie einen Mehlsack über die Schulter werfen und ins große angrenzende Zimmer mitnehmen konnte.
»Ist das dein Lehrer?«, fragte Inger, als sie allein waren. »Er schien dich ja nicht einmal wiederzuerkennen.«
»Nein, nein, ganz und gar nicht. Ich weiß überhaupt nicht, wo der steckt. Ich habe ihn noch nicht gesehen.«
»Ja, aber Bernt sagte doch, er würde hier den Gastgeber spielen.«
»Na gut, das kann trotzdem stimmen. Schließlich ist es ja nichts Außergewöhnliches, dass man sich jemanden sucht, der ein bisschen auf die Gäste aufpasst, weil man selbst keine Lust dazu hat. Auf diese Weise kann man sich als Wohnungsinhaber viel besser amüsieren.«
Inger hatte eigentlich noch mehr fragen wollen, aber da kam Bernt zurück.
»So, das wäre geschafft. Der liegt im Bett. Jetzt schläft er mindestens zwölf Stunden. Um den brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen.«
Annette fragte, wo der Lehrer wäre, und erfuhr, dass er schon früh am Abend hinüber gewesen sei und dass man ihn in sein Bett verfrachtet habe.
»Aber das macht gar nichts. Deshalb ist das Fest noch lange nicht zu Ende.«
Bernt bückte sich, wühlte unter den Flaschen herum und reichte Inger dann eine davon.
»Magst du diese Whiskysorte? Ich habe leider keine sauberen Gläser mehr gefunden, und dann ist es am besten, man trinkt gleich aus der Flasche.«
Inger nahm die Flasche erst nach erheblichem Zögern entgegen, aber sie wollte sich nicht als alberne Zicke erweisen, setzte darum die Flasche an den Mund und schloss die Augen. Während sie den Atem anhielt, schluckte sie schnell vier- bis fünfmal und reichte dann die Flasche an Annette weiter, die sich nicht zierte.
Als Inger fühlte, wie der hochprozentige Alkohol durch ihre Kehle lief, biss sie die Zähne zusammen, weil sie nicht zeigen wollte, wie unangenehm scharf sie den Geschmack des Whiskys empfand. Allmählich ließ das ungewohnte Brennen im Mund nach, und in ihrem Körper breitete sich eine angenehme Entspanntheit aus.
Sie lächelte Bernt vage zu, als dieser sie fragend ansah.
»Willst du noch einen Schluck haben?«, fragte er und reichte Inger die Flasche, nachdem er sich selbst mit zufriedenem Seufzen einen genehmigt hatte.
»Nein, danke, jetzt ist es genug. Aber eine Zigarette wäre gar nicht übel.«
Bernt wühlte in seinen Taschen, bis er
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