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Das Spektrum der Toten

Das Spektrum der Toten

Titel: Das Spektrum der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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teilgenommen hatte, berichtete darüber:
    »Nach dem Leichenfund erneut vernommen, sagte Niemeyer, seine Tochter sei damals an Lungenentzündung erkrankt. Einen Arzt konnte er nicht bezahlen. Er habe selbst mit Lehmpackungen die Behandlung Hedwigs unternommen, leider ergebnislos. Nach ihrem Tode hätte er Hedwig dann gemäß der Anleitung durch die Stimmen bestattet, damit er, wenn er die Kunst endlich beherrsche, Hedwig wieder zum Leben erwecken und sie in Schönheit auferstehen lassen könne. In fünf Tagen, nachmittags 17 Uhr, sollte die ›Auferstehung im Fleische‹ stattfinden, der ein besonderes Ereignis vorangehen würde. Dieses Ereignis sei zweifellos das Erscheinen der Kriminalpolizei gewesen.«
    Ob die Lungenentzündung die wirkliche Todesursache gewesen war, ließ sich gerichtsmedizinisch an der skelettierten Leiche nicht mehr feststellen. Die Kriminalpolizei sah jedoch keinen Anlass, diese Angaben Niemeyers und seiner Familie zu bezweifeln. Über die abschließenden Ermittlungen der Kriminalpolizei berichtete Volkhardt:
    »Es ist nicht meine Absicht, hier über die jahrhundertealte
    Geschichte des Hexenwahns und seine Ursachen zu berichten. Gesellschaftlichsoziale, mystische, religiöse, psychologische und ökonomische Wurzeln verflechten sich miteinander. Der vernunftbegabte Leser wird aber angesichts solcher Vorgänge erstaunt fragen, wie magischmittelalterlicher Aberglaube im Atomzeitalter noch immer existieren, ja sich zunehmend wieder ausbreiten kann.
    Aufklärung, Wissenschaft und Rationalismus als Waffen gegen Aberglauben, Irrationalismus und Okkultismus haben versagt. Im Gegenteil, die Überzeugung von der Allmacht der Wissenschaften, die grenzenlose Expansion der Technik, die Lösbarkeit gesellschaftlicher Konflikte ist heute einem Gefühl der Ohnmacht gewichen. Der Mensch fühlt sich anonymen geheimen Mächten und einer immer unbegreiflicheren technischen Vernetzung mit einer verheerenden Zerstörung der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen wehrlos ausgeliefert. Er sucht seine Unsicherheit geistig und seelisch zu bewältigen.
    Die einen finden Kraft in ihrem Glauben an den Fortschritt oder an die Weissagungen politischer Welterlösungsprogramme, andere im Glauben an den unerforschlichen Ratschlag Gottes und schließlich welche auch im Aberglauben an die Mithilfe übernatürlicher Mächte, das Böse zu bannen. Und im Unterschied zur Religion, die Gottes Walten passiv und demütig hinnehmen lässt, hofft der abergläubische Mensch, durch Beschwörung, durch Magie, durch einen Pakt mit guten und bösen Geistern sein Schicksal beeinflussen zu können.«
    Christoph Schorsch formulierte die Situation sehr prägnant: »Die apokalyptische Bedrohung der Menschheit durch Atombomben und ökologische Zerstörung liefert das historisch einmalige Setting, in dem die heutige Lust am Irrationalen angesiedelt ist. Sie wird um so heftiger, je irrationaler die Verhältnisse selbst werden…«
    In der neuen Irrationalität komme somit »das wachsende
    Unbehagen an der wissenschaftlichtechnischen Zivilisation besonders bedenklich zum Ausdruck«.

    Einen anderen Weg, sich einem ausweglosen Leben in einer neuen, bedrohlicheren Welt zu entziehen, sucht der Süchtige.
    H. Bratzke und E. Klug vom Institut für Rechtsmedizin der FU Berlin schildern Gewalttaten zweier Rauschgiftsüchtiger.
    Diese Handlungen sind deshalb erschreckend, weil sie eine oft unbeabsichtigte Erklärung für den Hexenwahn liefern. Keine soziale, keine psychologische, sondern eine physiologische Erklärung.
    1982, so heißt es in diesem Bericht, wurde eine 24Jahre alte Krankenschwester obduziert. Sie war in der Wohnung blutverschmiert aufgefunden worden. Ihr Ehemann, ein 20jähriger Kunstmaler, hatte bei seiner Vernehmung anfangs erklärt, drei Männer hätten seine Frau mit zahlreichen Messerstichen getötet. Aber der Zustand der Wohnung weckte bei Kriminalisten und Rechtsmedizinern Zweifel. Die Räume waren völlig verwüstet. Die Katze war an der Zimmerwand zerschmettert worden. Überall an den Wänden und Türpfosten gab es Blutspuren. Nachbarn hatten Schreie gehört und einen wie »Tarzan« umherhüpfenden grinsenden Mann am Fenster gesehen.
    Die Sektion der Toten ergab, dass der Frau zahlreiche stumpfe und scharfe Verletzungen zugefügt worden waren. Ihr Tod war plötzlich durch Erwürgen erfolgt. Ihr Blut enthielt LSD. Im Harn und in der Gallenflüssigkeit fand sich Morphin. Beim Ehemann der Toten war im Harn ebenfalls LSD

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