Das Spektrum der Toten
nachweisbar.
Die Ermittlungen ergaben, dass der Ehemann am Abend, acht Stunden vor der Tat, einen LSD-Trip unternommen hatte. Was danach geschah, entzog sich der deutlichen Erinnerung des Mannes. Er wusste nur noch, dass ihn eine »ungeheuer tödliche Angst« ergriffen hatte. »Ich hockte auf dem Boden, hörte Stimmen über Teufel und so unlogische Sachen. Meine Hände glichen Teufelskrallen.« Ob er seine Frau getötet hatte, daran konnte er sich nicht erinnern.
Die neurologischpsychiatrische Untersuchung erbrachte keine juristisch bedeutsame psychische Erkrankung. Jedoch war er wegen krankhafter seelischer Störungen und tiefgreifender Bewusstseinstrübung zur Tatzeit schuldunfähig.
Er wurde wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Ein Jahr später, 1983, fiel ein 25jähriger Bauzeichner ohne jeden Anlass Mitbewohner des Hauses, darunter Kinder, an, verletzte sie schwer durch Schläge und würgte ein Kind, bis es bewusstlos war. Auch dieser Mann hatte LSD genommen, zum ersten Mal, wie er angab. Danach habe ihn heftige Unruhe ergriffen, die Herzklopfen und Angst zur Folge hatte. Er konnte die Welt um sich herum nur noch verschwommen wahrnehmen, er verlor jegliches Gefühl für die Zeit. Halluzinationen von Hexen und Teufeln mit grässlich entstellten Gesichtern erfüllten ihn mit Entsetzen.
Zeugen ergänzten diese Aussagen. Er habe ihnen zwei Kochlöffel in Form eines Kreuzes entgegengestreckt und auch Kreuze in den Schnee gekratzt.
Er selbst konnte sich an seine Gewalttätigkeit nicht erinnern. Die Blutprobe bestätigte die Einnahme von LSD. Die forensischpsychiatrische Diagnose, so weiter im Bericht, nahm eine durch das Rauschgift bedingte Psychose mit tiefgreifender Bewusstseinsstörung an. Dieser Angeklagte wurde, da er wahrscheinlich zum ersten Mal LSD genommen hatte und dessen Wirkung nicht kannte, nur wegen fahrlässigen Vollrauschs verurteilt.
In beiden Fällen berichteten die Täter übereinstimmend, dass sie durch das Rauschgift Halluzinationen von Hexen und Teufeln gehabt hätten.
Die Gutachter weisen darauf hin, dass LSD zu sogenannten Horrortrips führen könne. Die Gefährlichkeit solcher Zustände werde unterschätzt.
Daneben ist jedoch auch ein anderer Aspekt bedeutsam: Bestimmte toxische Substanzen erzeugen Sinnestäuschungen. Das liefert uns eine weitere Erklärung für das Entstehen von Hexenwahn.
So hat der Hexenwahn auch einen chemischen Aspekt.
Nachtschattengewächse beispielsweise enthalten Substanzen, die Halluzinationen hervorrufen. Daraus wurde Hexensalbe hergestellt.
Mittelalterliche Berichte nannten als Grundlage dieser Salben z. B. Stechapfel, Fingerhut, Mohn, Schierling, Wolfsmilch. Einige Nachtschattengewächse enthalten das sehr giftige Alkaloid Scopolamin. Wird die Hexensalbe in die Haut eingerieben oder die getrocknete Substanz als Tee getrunken, erzeugen sie Halluzinationen wie haushohe Flüge durch die Luft, phantastische Reisen in fremde Welten, Stimmen flüstern, greuliche Fratzen und Tiergestalten tauchen auf.
Wer auch immer sich diese Hexensalbe zusammenmischte und damit von Halluzinationen heimgesucht wurde, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vision verfließen. Die Halluzination wird zur Realität, erst recht damals für die Menschen, die noch an Geister, Dämonen und Teufel glaubten. Und wer töricht genug war, von seinen phantastischen Erlebnissen zu erzählen, konnte rasch bezichtigt werden, eine Hexe oder ein Zauberer zu sein. Und da er vielleicht selber an die Realität seiner Halluzinationen glaubte, gestand er unter der Folter oder auch ohne sie die absonderlichsten Abenteuer…
Natürlich lässt sich Hexenwahn nicht allein dadurch erklären, schrieb H. Römpp in seinem Buch über chemische Zaubertricks: »Trotzdem scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, dass eine von den vielen Wurzeln des unseligen Hexenwahns in der Vergiftung mit scopolaminhaltigen Nachtschattengewächsen zu suchen ist. Stechapfel und Bilsenkraut werden im Licht dieser Überlegung zu dunklen Schicksalsmächten, um derentwillen Hunderttausende einen furchtbaren Tod sterben mussten.«
Den Teufel im Kopf
Bei unserem Streifzug durch die Welt der Hexen, Teufel und Zauberer ist die Geschichte der Hildegard Höhnel die abenteuerlichste. Man fühlt sich in Zeiten zurückversetzt, in denen Frauen, von Folterqualen bedrängt, eingestanden, vom Teufel besessen zu sein.
Hildegard Höhnel wurde nicht gefoltert. Im Deutschland der fünfziger
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