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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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außerdem habe ich mir die Posteriorsehne durchgeschnitten.« Jess und Will war das komisch vorgekommen, weil jeder wusste, dass »Posterior« die wissenschaftliche Bezeichnung für den Allerwertesten war. Sie hatten gelacht, mehr überrascht als hämisch, aber Maddy war dennoch mit einem Gesicht so finster wie eine Gewitterwolke davongestürmt, um es Mami zu sagen.
    Posteriorsehne, dachte sie und zog trotz der zunehmenden Schmerzen absichtlich fester. Posteriorsehne und Radius-Ulnar-so-oder-so. Einerlei. Wenn du aus diesen Handschellen schlüpfen kannst, solltest du das am besten auch machen, Süße, soll sich doch später ein Arzt den Kopf darüber zerbrechen, wie man Humpty wieder zusammenflicken kann.
    Sie verstärkte den Zug langsam, konstant, und befahl den Handschellen im Geiste, herunterzurutschen. Wenn sie nur ein bisschen rutschten – vier Millimeter konnte genügen, ein Zentimeter war mit Sicherheit mehr als genug -, hätte sie den Knochenwulst hinter sich und müsste sich nur um das nachgiebigere Gewebe kümmern. Hoffte sie. Selbstverständlich hatte sie auch Knochen in den Daumen, aber darüber würde sie sich Gedanken machen, wenn es so weit war.
    Sie zog fester, den Mund verzerrt und die zusammengebissenen Zähne zu einer Grimasse von Schmerz und Anstrengung entblößt. Die Muskeln ihrer Oberarme standen als flache weiße Wölbungen vor. Schweißperlen standen ihr auf Stirn, Wangen, sogar im Grübchen unter der Nase. Sie streckte die Zunge heraus und leckte Letzteres ab, ohne es überhaupt zu bemerken.
    Sie empfand große Schmerzen, aber die Schmerzen bewogen sie nicht, wieder aufzuhören. Es war die simple Erkenntnis, dass sie die größte Kraft aufgeboten hatte, deren ihre Muskeln fähig waren, und die Handschellen waren kein Stück weiter gerutscht als zuvor. Ihre kurze Hoffnung, sie könnte sich einfach herauswinden, flackerte und erlosch.
    Bist du dir sicher, dass du so fest gezogen hast, wie du kannst? Oder machst du dir nur was vor, weil es so wehtut?
    »Nein«, sagte sie, ohne die Augen aufzuschlagen. »Ich habe, so fest ich konnte, gezogen. Wirklich.«
    Aber diese andere Stimme blieb, eigentlich mehr gesehen als gehört, so etwas wie ein Fragezeichen in einem Comic.
    Sie hatte tiefe weiße Furchen in der Haut der Handgelenke – unter dem Daumenpolster, über den Handrücken und den feinen blauen Spuren der Adern darunter -, wo der Stahl hineingedrückt hatte, und ihre Handgelenke pochten weiterhin schmerzhaft, obwohl sie die Handschellen entlastet hatte, indem sie die Hände hob, bis sie eines der Kopfteilbretter berühren konnte.
    »O Mann«, sagte sie mit zitternder, unsicherer Stimme. »Das ist vielleicht eine Scheiße.«
    Hatte sie, so fest sie konnte, gezogen? Wirklich?
    Unwichtig, dachte sie und sah zu den schimmernden Spiegelungen an der Decke. Es ist unwichtig, und ich will auch verraten, warum – wenn ich wirklich fester ziehe, wird mit meinem Handgelenk dasselbe passieren wie mit dem von Maddy, als die Autotür zugeschlagen wurde: Knochen werden brechen, Posteriorsehnen werden reißen wie Gummi, und Radius-Ulnar-Wasweißichs werden explodieren wie Tontauben auf dem Schießstand. Der einzige Unterschied wäre, statt angekettet und durstig hier zu liegen, würde ich angekettet und durstig und mit zwei gebrochenen Handgelenken als Zugabe hier liegen. Anschwellen würden sie auch. Ich denke Folgendes: Gerald ist gestorben, bevor er überhaupt die Möglichkeit hatte, in den Sattel zu steigen, aber er hat mich trotzdem nicht schlecht gefickt.
    Okay; welche anderen Möglichkeiten gab es?
    Keine, sagte Goodwife Burlingame im wässrigen Tonfall einer Frau, die nur eine Träne vom völligen Zusammenbruch entfernt war.
    Jessie wartete, ob die andere Stimme – Ruths Stimme – ihren Senf dazugeben würde. Nein. So viel sie wusste, konnte Ruth mit den anderen Irren in der Wasserflasche im Büro herumschwimmen. Wie auch immer, ihr Schweigen gab Jessie die Möglichkeit, sich selbst Gedanken zu machen.
    Na gut, dann mach, dachte sie. Was wirst du wegen der Handschellen unternehmen, nachdem du dich nun vergewissert hast, dass es unmöglich ist, einfach aus ihnen rauszuschlüpfen? Was kannst du tun?
    Jede Handschelle besteht aus zwei Ösen, meldete sich die jugendliche Stimme, für die sie noch keinen Namen gefunden hatte, zögernd zu Wort. Du hast versucht, aus denen zu schlüpfen, in denen deine Hände stecken, und das hat nicht geklappt … aber was ist mit den anderen? Die an den Bettpfosten

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