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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Mrs. Mundgeruch herumärgern, und das alles nur, weil...
    »Weil er zu mir hält«, murmelte sie.
    Ja; das war der Knackpunkt. Ihr Vater hielt zu ihr, und ihre Mutter machte ihr Vorhaltungen.
    Jessie sah den Abendstern schwach am Abendhimmel leuchten und merkte plötzlich, dass sie schon fast eine Dreiviertelstunde auf der Veranda saß und zuhörte, wie sie das Thema Sonnenfinsternis – und das Thema Jessie - abhandelten. An diesem Abend fand sie einen unbedeutenden, aber doch recht interessanten Sachverhalt des Lebens heraus: Die Zeit vergeht am schnellsten, wenn man Unterhaltungen über sich selbst belauscht.
    Ohne darüber nachzudenken, hob sie die Hand, formte eine Röhre damit, betrachtete den Stern und schickte ihm gleichzeitig das alte Sprichwort hinauf: Sternenglanz, Sternenschein, lass meinen Wunsch erfüllet sein. Ihr Wunsch, der schon so gut wie erfüllt war, bestand darin, dass sie morgen mit ihrem Daddy hierbleiben durfte. Dass sie bei ihm bleiben durfte, was auch geschehen mochte. Zwei verwandte Seelen, die wussten, wie man zueinander hielt, die auf der Veranda saßen und Eklipse-Burger à deux aßen … mehr wie ein lange verheiratetes Paar denn wie Vater und Tochter.
    »Und was Dick Sleefort angeht, er hat sich später bei mir entschuldigt. Ich weiß nicht, ob ich dir das je gesagt habe …«
    »Hast du, aber ich kann mich nicht erinnern, dass er sich je bei mir entschuldigt hat.«
    »Wahrscheinlich hat er Angst gehabt, dass du ihm eine runterhaust oder es wenigstens versuchst«, antwortete Sally wieder in dem Tonfall, den Jessie so eigentümlich fand – es schien eine unbehagliche Mischung aus Glück, Humor und Wut zu sein. Jessie überlegte einen Augenblick, ob es möglich war, sich so anzuhören und dennoch geistig normal zu sein, aber dann erstickte sie diesen Gedanken schnellstmöglich und gründlich. »Außerdem möchte ich noch eines über Adrienne Gilette sagen, bevor wir dieses Thema endgültig lassen …«
    »Nur zu.«
    »Sie hat mir – das war 1959, zwei Jahre später – gesagt, dass sie in den Wechseljahren war. Sie hat nie explizit von Jessie und dem Plätzchen gesprochen, aber ich glaube, sie hat versucht, sich zu entschuldigen.«
    »Oh.« Das war das kühlste, geschäftsmäßigste »Oh« ihres Vaters. »Und hat eine der beiden Damen je daran gedacht, diese Information Jessie weiterzugeben … und ihr zu erklären, was das bedeutet?«
    Ihre Mutter schwieg. Jessie, die nur eine überaus vage Vorstellung davon hatte, was »in den Wechseljahren« bedeutete, sah nach unten und stellte fest, dass sie das Buch wieder so fest umklammert hielt, dass sie es knickte, und entspannte die Hände.
    »Oder sich zu entschuldigen?« Sein Tonfall war sanft … war zärtlich … tödlich.
    »Hör auf mit diesem Kreuzverhör!«, platzte Sally nach einem langen, nachdenklichen Schweigen heraus. »Dies ist dein Zuhause, und nicht Teil zwei von Superior Court, falls du es nicht bemerkt hast!«
    »Du hast das Thema angeschnitten«, sagte er. »Ich habe nur gefragt …«
    »Oh, ich habe es so satt, wie du einem das Wort im Mund umdrehst«, sagte Sally. Jessie merkte an ihrem Tonfall, dass sie entweder weinte oder im Begriff dazu war. Zum ersten Mal seit sie sich erinnern konnte, lösten die Tränen ihrer Mutter kein Mitleid bei ihr aus, keinen Drang zu trösten (und dabei wahrscheinlich selbst in Tränen auszubrechen). Stattdessen empfand sie eine merkwürdige, steinerne Befriedigung.
    »Sally, du bist aufgebracht. Können wir nicht einfach …«
    »Da hast du verdammt Recht. Bin ich fast immer, wenn ich mit meinem Mann streite, ist das nicht komisch? Ist das nicht das Seltsamste, was man je gehörst hat? Und weißt du, warum wir streiten? Ich will es dir sagen, Tom – nicht wegen Adrienne Gilette und nicht wegen Dick Sleefort und nicht wegen der Sonnenfinsternis morgen. Wir streiten wegen Jessie, wegen unserer Tochter, und was gibt es sonst noch Neues?«
    Sie lachte unter Tränen. Ein trockenes Zischen war zu hören, als sie ein Streichholz rieb und sich eine Zigarette anzündete.
    »Sagt man nicht, wer gut schmiert, der gut fährt? So ist das mit unserer Jessie, nicht? Sie schmiert gut. Sie ist nie mit irgendwelchen Vereinbarungen zufrieden, wenn sie nicht das letzte Wort dazu hat. Nie zufrieden mit den Plänen von anderen. Nie imstande, sich mit etwas zufriedenzugeben.«
    Jessie stellte bestürzt fest, dass sie in der Stimme ihrer Mutter so etwas wie Hass hörte.
    »Sally …«
    »Vergiss es, Tom. Sie

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